Mittlerweile wissen wir, wie man die hohen Gebühren bei der Fahrt zum Flughafen umgeht. Mit dem Zug fahre wir bis Mascot Station. Gleich um die Ecke fährt der Bus ab, der uns ohne zusätzliche Kosten bis vor den Eingang des Airports bringt (All unsere Tipps zu Sydney HIER).
Mit knapp 5$ auf seiner Busfahrkarte kommt Dario genau hin. Damit haben wir über 15$ pro Person gespart.
Am Schalter beim Einchecken erleben wir auch noch eine schöne Überraschung. Den langen Flug von Sydney nach Vancouver hat das Reisebüro gebucht, den kurzen Anschlussflug von Vancouver nach Prince George haben wir gebucht. Da aber beide Flüge mit Air Canada sind, müssen wir unser Gepäck nicht abholen und nochmal einchecken. Noch viel besser ist, dass unser Gepäck auch nichts kostet, wie es eigentlich bei Air Canada Inlandflügen der Fall ist.
Unser restliches Bargeld investieren wir in Briefmarken. 21$ für unsere sieben Kärtchen.
Ja, das liebe Geld lässt einen besonders in diesem Land nicht los. Dario hat mich letztens darauf hingewiesen, dass ich mal aufhören soll, immer so viel über Geld zu schreiben (und zu denken!). Ständig freue ich mich über Schnäppchen oder fluche über hohe Preise. Oft schon haben wir viel Zeit auf der Suche nach einer günstigen Unterkunft verbracht. Ob wir es schaffen, all diese Gewohnheiten abzulegen?
„Endlich weg aus Australien!“, sage ich zu Dario, während wir zum Gate gehen.
Er strahlt mich an und ich strahle zurück.
Wir sind uns einig: Es war eine schöne Zeit, aber wir sind verdammt froh, Australien zu verlassen!
Halb laufen, halb hüpfen wir durch den Flughafen, so beschwingt sind wir.
Da wir sehr früh dran sind, dauert es noch eine ganze Weile, bis wir ins Flugzeug können, und wir nutzen die Zeit, um noch etwas an der Homepage zu arbeiten.
Doch dann ist es endlich so weit.
Tickets zeigen, im Gang zum Flugzeug Schlange stehen, die Stewardess begrüßen, warten bis alle vor uns ihre Koffer verstaut haben, die richtigen Plätze finden, Gurte anlegen, ein halbes Ohr und Auge den Sicherheitsinstruktionen widmen und schließlich, schließlich! Wir heben ab.
Rasch entfernen wir uns vom australischen Boden, ein Hochgefühl.
Passend zu unserer guten Laune haben wir auch die perfekten Plätze. Ganz hinten im Flugzeug gibt es einige wenige Sitzreihen, in denen am Fenster nur zwei statt drei Sitze sind.
Wir klappen die mittlere Armlehne hoch und widmen uns glücklich der Filmauswahl des Flugzeugs.
Besser als erste Klasse oder Business Class! Erstere wäre für uns der pure Horror, ist man doch durch eine Wand vom Nachbarn getrennt. Auch zweitere würde uns nicht glücklich machen, denn die Armlehnen können nicht hochgeklappt werden.
Gute 14 Stunden dauert der Flug. Mit Schlafen und Filmeschauen eine sehr gemütliche Sache.
Das Umsteigen in Vancouver verläuft so reibungslos wie alles andere. Wir telefonieren sogar noch kurz mit Mama.
Es regnet in Strömen vor den großen Scheiben des Flughafens und wir sind heilfroh, dass wir unser endgültiges Ziel noch nicht erreicht haben.
Wir haben fünf Stunden fürs Umsteigen, der Weiterflug selbst dauert nicht lange.
Meist sehen wir durch die dichte Wolkendecke gar nichts, doch ab und an erhaschen wir einen Blick auf die Landschaft. Statt Regen sehen wir bald Raureif, dann dünne Schneefelder und schließlich immer dichteres Weiß.
Wir landen auf Schneematsch. Problemlos, denn das Flugzeug ist dafür ausgelegt.
Kühle, frische Luft füllt unsere Lungen, als wir die Treppe zum kanadischen Boden hinabsteigen. Juchhu!!!
Als wir die Tür zum Flughafengebäude öffnen, steht meine glücklich Mama vor uns.
Wir fallen uns in die Arme und machen einen ganz schönen Freudenlärm.
Als unsere Rucksäcke auf dem Laufband in Sicht kommen, löst Dario sich aus dem Knäuel. Die beiden, mittlerweile alt gedienten Gepäckstücke kommen direkt hintereinander. Da hat sich wohl jemand schon gedacht, dass die zusammen gehören. Wir sind die einzigen Backpacker, die sich hierher verirrt haben.
Mama hat uns warme Jacken, Handschuhe und Mützen mitgebracht. Die hatten wir schon zusammengepackt, als wir noch in Deutschland waren. Mama hat dann ein großes Paket per Post vorausgeschickt.
So eingemummelt stapfen wir zum Auto. Allerdings ist es gerade mal um die null Grad. Keine -15 Grad, wie noch vor ein paar Tagen. Zum Eingewöhnen also ganz gut. Wir kommen schließlich aus dem australischen Frühling mit guten 25 Grad plus.
Die notwendigen Erledigungen hat Mama schon fast alle gemacht. Unser einziger Punkt auf der Liste lautet „Stiefelkauf“.
Im sogenannten „Canadian Tires“ gibt es alles, was der Mensch in der Wildnis zum Überleben braucht. Wir probieren alle möglichen Stiefel an. Fette, klobige Dinger.
Ich finde welche, die so dick gepolstert sind, dass ich in ihnen wie auf Wolken gehe.
Dario findet ebenfalls ein Modell, das ihm gefällt und behält sie direkt an. Seine Sportschuhe waren noch nie wasserfest und sind mittlerweile auf dem besten Wege, zu Barfußschuhen zu werden.
Nun also gut ausgerüstet, machen wir uns auf die lange Fahrt nach Hause.
Durch eine schön verschneite Welt geht es den Highway entlang. Die Straße ist gut geräumt und wir haben keine Schwierigkeiten. Mama fährt entspannt und wir erzählen und erzählen.
Ungewohnt ist für uns, dass auf der rechten Straßenseite gefahren wird. Das hatten wir tatsächlich seit Deutschland nicht mehr. Also ganze 13 Monate lang.
Irgendwann schläft Dario auf der Rückbank ein.
Bereits gegen 4 Uhr wird es dunkel.
Gute sechs Stunden nach Abfahrt, mit nur einem kurzen Zwischenstopp in der einzigen größeren Ortschaft auf dem Weg, erreichen wir unser Winterquartier in der Wildnis.
Die letzte Stunde geht es über eine Mischung aus Schnee und Sand auf unbefestigter Straße, die dennoch recht gut geräumt und gestreut ist.
Nur wenige Kilometer müssen wir dann noch durch Schnee zurücklegen, doch selbst hier wurde zumindest per Traktor geräumt: Edwin, unser wundervoller Freund, hat sogar den Weg bis zur Hütte freigemacht.
Die kleine Hütte schimmert goldgelb in der Dunkelheit und heißt uns willkommen.
Als wir vor der Veranda halten, kommt Pino uns schon entgegen.
Wir begrüßen uns herzlich.
Der Sternenhimmel über uns ist so klar, dass wir über den am Uluru nur lachen können. Hier gibt es außer unserem Licht weit und breit kein anderes.
Der Tisch wird rasch gedeckt, das Essen ist schon fertig.
Im Kamin und auch im Ofen knistern Feuer.
Ein schöneres Willkommen könnte es kaum geben.
So gemütlich ist es, dass wir nur noch strahlen können.
Dank Dunkelheit ist von Jetlag nichts zu spüren und so kuscheln wir uns bereits um halb Zehn zufrieden in unsere warmen Decken.
Tag ohne Technik
20.11.2017
Wir schlafen ordentlich aus und erwachen mit einem glücklichen Lächeln.
Pino hat das Feuer im Kamin nicht ausgehen lassen und von Frieren kann keine Rede sein.
Es ist genau, wie es sich gehört: Draußen wundervoll kalt und drinnen wunderbar warm.
Nicht wie in Australien, wo man selbst bei über +20°C Außentemperatur im Haus fror!
Wir beschließen, heute kein technisches Gerät zu benutzen und genießen einfach, dass wir genau hier und nirgends sonst sind.
Mama und Pino zeigen und erklären uns alles. Das letzte Mal waren Dario und ich vor neun Jahren hier. Wir erinnern uns an vieles nicht mehr.
Im Winter war von uns überhaupt noch nie jemand hier.
Wir sind also die deutschen „Greenhorns“ (entspricht dem deutschen „Grünschnabel“).
Aber wir fühlen uns nicht danach, uns deswegen Sorgen zu machen. Stattdessen krame ich meine Rezepte aus dem Gepäck und beschließe, Zimtschnecken zu backen.
Das einzige was fehlt, sind Eier. Aber zum Glück bekommt man diese bei Linda. Ihr Shop ist am See, nur etwa sieben Kilometer entfernt.
Mama fährt mit mir hin, denn ich kenne Linda noch gar nicht. Als ich vor neun Jahren hier war, gab es den Shop noch nicht.
Als wir an den See kommen, bin ich überwältigt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Seen ist er noch nicht gefroren. Er ist zu groß und tief.
Spiegelglatt und dunkel liegt er da. Kontrastiert von all dem Weiß.
Das „Open“-Schild an Lindas Haus leuchtet uns rot entgegen.
Als wir auf den Eingang zugehen, kommen zwei kleine Hunde angerannt. Ein schwarzer Winzling und ein kleiner blonder Kuschelbär.
Der Winzling springt sofort an uns hoch, kommt aber kaum bis zu den Knien. Der andere hält sich im Hintergrund, schaut aber sehr neugierig und gewinnt sofort mein Herz.
Blöd nur, dass er nicht so zutraulich ist wie ich.
Ich komme nicht mal nah genug heran, um ihn zu streicheln.
Also gehen wir in den Laden. Oder besser: wir klopfen an die Haustür und werden in den Eingangsbereich gebeten. Hier gibt es einen einfachen Tisch mit Kasse, einen Kühlschrank, einige Strickklamotten und ansonsten alles, was man zuhause im Eingangsbereich hat. Volle Schuhregale und Jacken an Haken.
Geht man geradeaus in den nächsten Raum, reihen sich um einen Esstisch Regale mit Konservendosen und anderen haltbaren Lebensmitteln.
Gleich dahinter ist das Wohnzimmer. Der Fernseher läuft.
Unsere Wasserkanister werden von Linda in der Küche mit frischem Seewasser aufgefüllt. Ein Gefallen, für den Mama immer noch etwas mehr kauft oder eine kleine Spende dalässt.
Unser eigenes Wasser kommt aus einem Brunnen und ist recht begrenzt, könnte aber auch getrunken werden. Wir sparen es für den Notfall.
Während Mama unsere „Einkäufe“ regelt, versuche ich den süßen Hund zu mir zu locken. Aber er ist ziemlich scheu.
Wir bedanken uns und fahren wieder heim. Ich mache mich sofort ans Backen.
Allerdings mit Mamis Unterstützung, denn die Brotmaschine kann den Teig vorbereiten, braucht aber andere Mengen und darf nicht überfüllt werden.
Einen Versuch ist es wert, denn letztes Mal waren die Zimtschnecken noch nicht perfekt.
Dario erstellt einen Essensplan, denn morgen gehen wir einkaufen. Immer Dienstags, so hat es sich bei Mami und Pino eingebürgert.
Mami und ich versuchen auf dem Weg vor dem Haus zu rodeln. Allerdings ist der billige Bob nicht besonders gut und wir kommen kaum voran. Also probieren wir den Lastschlitten aus.
Der hat zwar so hohe Ränder, dass man kaum lenken kann, aber dafür fährt er richtig gut.
Als die Zimtschnecken fertig sind, besuchen wir zu dritt Edwin.
Wir können nämlich nicht mit leeren Händen bei ihm auftauchen. Er nennt es das „canadian protocol“. Wenn man jemanden besucht, bringt man eine Kleinigkeit mit.
Da er sich stets daran hält, tun wir es auch.
Ohne Edwin wäre das alles hier kaum möglich. Er ist Holzfäller und hat eine kleine Sägemühle. Mit seinen Söhnen hat er damals unsere Hütte gebaut.
Er passt auf alles auf, ist guter Freund und auch Retter in der Not.
Zudem Ansprechpartner in allen Wildnis- und Hausbelangen.
Mit einem breiten Lächeln, das seinen letzten verbliebenen Zahn enthüllt, empfängt er uns in der Haustür.
Wir drücken ihn. Ich freue mich riesig, ihn zu sehen.
Er ist einer der beeindruckendsten Menschen, die ich kenne. Ein Wildnis-Intellektueller, denn er hat auf einigen Gebieten ein immenses Wissen, das er ständig erweitert und durch Nachforschungen und eigene Analysen ergänzt.
Außerdem kann er so ziemlich alles bauen und reparieren. Mit seinem Garten versorgt er sich fast vollständig selbst und kleine Windräder auf dem Dach erzeugen Strom.
Ein wenig sieht es aus wie bei Pettersson und Findus. Alles hängt und liegt über- und untereinander.
Passenderweise leben unter dem Haus jede Menge Katzen.
Das war schon immer so.
Als kleines Kind habe ich sie gerne gezähmt, während die Erwachsenen drinnen stundenlang auf Englisch schwatzten.
Heute sind Dario und ich gerne drinnen dabei, schließlich verstehen wir mittlerweile fast jedes Wort und Edwin steckt voller spannender Geschichten.
Er erzählt, wie er mal mit Holzfällern im Winter Straßen freigemacht hat und an einer Stelle im Schnee versank, der so tief war, dass er seine Kettensäge über den Kopf hochhalten musste, damit die anderen sehen konnten, wo er war.
Oder wie der Schnee so hoch war, dass er überall um die Hütte richtige Gänge graben musste und dann in einem solchen Gang auf eine Elchkuh traf. Die sind ab Januar ziemlich ungemütlich. Besonders wenn sie ein Kalb dabei haben.
Sie jagte ihn durch den Gang und er schaffte es gerade so, auf seine Veranda zu schlittern, die Tür zu öffnen und nach drinnen zu flüchten.
Außerdem liest er gerade ein Buch über den Alten Fritz (Friedrich der Große) und kommt immer wieder auf dessen Erlebnisse zurück.
Edwin hat mehr Geschichtswissen als die meisten Europäer. Und das in der kanadischen Wildnis, weit ab von jeglichen Bildungseinrichtungen und ganz ohne Internet.
Als wir schließlich gehen, ist es schon dunkel.
Nach dem Abendessen spielen wir Skat, dann gehen wir auch schon ins Bett.
Einkaufen
21.11.2017
Um neun wecken uns Mama und Pino. Denn wir wollen nicht zu spät zur Stadt fahren. Das Auto ist schon eingesteckt; per Kabel und Steckdose kann man nämlich den Motor vorheizen, um diesen vor Kälteschäden zu bewahren.
Ohne Frühstück brausen wir los, dieses gibt es gute anderthalb Stunden später in ein Café in der Stadt.
Die Fahrt am See entlang ist wunderschön.
Wir brauchen fast den ganzen Tag, um alles zu erledigen. Obwohl wir uns die Aufgaben aufteilen. Die Männer gehen Lebensmittel einkaufen, Mama und ich den Rest.
Viel Zeit verbringen wir in der Bibliothek, denn hier können wir ins Internet.
Auf dem Heimweg fahre ich zum ersten Mal das Auto. Auf der rechten Straßenseite. Aber die Strecke ist ja nicht besonders schwierig, denn es geht immer nur geradeaus.
Die letzten Kilometer sind die schwersten, denn ich bin nicht so geübt auf Schnee und Eis. Aber es klappt.
Zum Abendessen gibt es Grillhähnchen, auch eine Dienstags-Tradition. So sparen wir uns die Essenszubereitung am Abend.
Daher bleibt wieder Zeit fürs Skatspielen.
Wir haben auch ein paar Maronen gekauft und ich experimentiere, wie sie am einfachsten und schnellsten zuzubereiten sind. Im Backofen dauert es mir zu lange, aber in Alufolie eingewickelt und in die Kohlen gelegt, funktioniert es ganz gut.
Allerdings trocknen sie mit Schlitz zu sehr aus, ich mache wohl irgendwas beim Einritzen falsch.
Schließlich lege ich zwei ohne Schlitz in den Ofen.
Das Ergebnis: Als ich eine öffnen will, explodiert sie. Auf meinem T-Shirt klebt mehr, als noch in der Schale ist, aber egal: Sie schmeckt ausgezeichnet. Ausgetrocknet ist sie jedenfalls nicht. Allerdings habe ich mir die Hand an ihr verbrannt.
Nun bin ich voller leckerer Marone. Sie schmeckt ausgezeichnet. Nur schade, dass mehr auf meinem T-Shirt klebt, als noch in der Schale ist.
Ausgetrocknet ist sie jedenfalls nicht.
Irgendwie habe ich mir auch noch die Hand an dem Mistding verbrannt. Aber im kanadischen Winter ist das ja kein Problem.
Mit einer Plastiktüte hole ich eine Handvoll Schnee von draußen und lege sie auf die malträtierte Stelle.
Beim nächsten Versuch lege ich die Maronen neben uns zum Abkühlen, während wir weiterspielen.
Etwa zwei Minuten vergehen, dann tut es einen ordentlichen Knall und wir sind alle voller Marone. Es war eine große.
Tja, solche Dinge passieren, wenn man kein Internet hat, um schnell mal „Zubereitung Maronen Holzfeuer“ zu googeln.
Zum Glück können alle darüber lachen.
Ravioli
22.11.2017
Wir frühstücken spät und Dario steht fast den ganzen Tag in der Küche.
Er macht Ravioli mit Tomatensauce.
Ich backe Zitronenkuchen und bereite für morgen Bircher Müsli vor.
Edwin kommt zum Abendessen, bereits um 16:30 Uhr ist er da.
Es schmeckt fantastisch und wir futtern bis nichts mehr da ist. Sogar der Kuchen wird komplett verputzt.
Danach kippen wir nur noch ins Bett.
Mit der Motorsäge im kanadischen Wald
23.11.2017
Es taut, aber da kann man halt nichts machen.
Nach dem Frühstück führt Mama uns ein wenig herum und wir besprechen, an welchen Stellen Bäume gefällt werden sollen.
Einerseits als Brennholz, andererseits als Brandschutz. Denn im Sommer toben hier im Moment schreckliche Feuer.
Das liegt an einer tragischen Begebenheit. Der kanadische Wald ist nämlich größtenteils eine Monokultur. Kiefern.
Es gibt einen Käfer, den sogenannten „Pine Beetle“ (Bergkiefernkäfer), der normalerweise tote und kranke Kiefern frisst.
Aber seit den späten 1990ern, dank einigen relativ warmen Wintern (Quelle: https://www2.gov.bc.ca/gov/content/industry/forestry/managing-our-forest-resources/forest-health/forest-pests/bark-beetles/mountain-pine-beetle), konnten sich die Tierchen ungehemmt vermehren.
Sie begannen auch an die gesunden Bäume zu fressen, bis schließlich fast der ganze Wald tot war.
Die Wälder bestanden bald zu großen Teilen nur noch aus rotbraunen Baumskeletten.
Wie die Winter, so wurden auch die Sommer wärmer und trockener.
Waldbrände waren unausweichlich und bald schon an der Tagesordnung.
Als wir vor neun Jahren hier waren, brannte es auch. Zum Glück ist unser Gebiet bisher verschont geblieben. Oft allerdings nur sehr knapp.
Mama hat schon ein paar Mal im Urlaub den Rauch erlebt und einmal eine Beinahe-Evakuation, und Edwin kann von Feuern berichten, die nur wenige Kilometer von uns entfernt gestoppt wurden.
Auch das nur mit viel Glück, denn wenn der Wind schlecht steht, sind wohl auch die Löschflugzeuge machtlos.
Es gibt Menschen hier, die ihre Häuser gegen das Feuer verteidigt haben. Sie haben Wassersprinkler, wie sie auf großen Farmen im Einsatz sind, um ihre Häuser aufgestellt und eine „grüne Blase“ gegen das Feuer geschaffen.
Sie haben tatsächlich überlebt.
Doch viele Gebäude sind auch schon abgebrannt, und im Sommer 2017 gab es Todesopfer.
Mittlerweile gibt es aber auch schon wieder viele grüne Tannen und Laubgewächse zwischen den abgestorbenen Bäumen, und das Risiko nimmt ganz langsam ab. Gebannt ist es aber noch lange nicht.
Eine Lichtung um das Haus herum zu schaffen ist also wichtig.
Heute machen wir uns aber erst einmal mit der Motorsäge vertraut.
Probeweise fällen wir einen ganz kleinen Baum, danach zerlegen wir einige große, die schon oben am Weg liegen.
Mit dem Holzschlitten bringen wir die Stücke zum Haus. Dario sitzt auf dem Holz und genießt die Abfahrt. Ich fotografiere.
Es schneit!
24.11.2017
Während dem Frühstück fängt es an zu schneien.
Ich backe Linzer Torte und es duftet im ganzen Haus. Wir sind so glücklich!
Mittags fahren Mama und ich zu Linda Eier holen.
Diesmal ist der Hund schon zutraulicher und lässt sich schließlich sogar streicheln.
Danach besuchen wir Edwin.
Er freut sich sehr über die halbe Linzer Torte und hat auch eine Überraschung für mich. Ich darf mir seine alten Schneeschuhe leihen.
Die sehen geradezu historisch aus und ich habe sie schon als kleines Kind bewundert.
Meine Oma hat mir immer Indianergeschichten erzählt, als ich noch klein war. Mit sechs Jahren bekam ich mein erstes Taschenmesser und baute meinen ersten provisorischen Bogen.
Schneeschuhe herzustellen konnte ich aber nie ausprobieren, denn wir waren ja immer nur im Sommer in Kanada.
Und jetzt ist es endlich so weit.
Aber heute ist es schon zu dunkel, um sie auszuprobieren.
Wie immer bleiben wir recht lange. Als wir gerade aufbrechen wollen, gibt Edwin mir noch eine weitere Leihgabe: Ein Handbuch fürs Schneemobil.
Wir sollen es lesen, dann dürfen wir sein Schneemobil ausprobieren.
Strahlend bedanke ich mich. Dieser Winter ist schon jetzt genial!
Es schneit noch mehr!
25.11.2017
Als wir erwachen und aus dem Fenster schauen, ist die Freude groß.
Gute 20 Zentimeter Neuschnee bedecken Haus, Wiesen und Bäume. Der reinste Weihnachtszauber.
In Deutschland hätten wir jetzt Sorge, dass das vielleicht auch schon wieder der letzte Schnee für dieses Jahr gewesen sein könnte. Doch hier denken wir: „Prima! Und für Weihnachten wird es noch mehr!“
Zum Glück haben wir in der Stadt am Dienstag eine große Schneeschaufel und Arbeitshandschuhe gekauft. So fängt Dario gleich munter an zu schaufeln.
Als die wenigen notwendigen Pfade frei sind, beginnt er mit einer Bobbahn.
Da unsere zweite Schaufel etwas klein ist, helfe ich erst mal mit der Astschere. Einige kleine Bäumchen müssen für dieses Projekt nämlich dran glauben. Der Hang hinter der Hütte ist recht zugewachsen.
Allerdings soll das ganze Kleinzeug eh weg. Wir machen also nur den Anfang.
Als ich keine Lust mehr habe, suche ich mir ein anderes Bauprojekt. Da ich ja nur die kleine Schaufel habe, suche ich nach einem Schneehaufen und finde ihn hinterm Haus.
Hier kommt, genau wie auch vor dem Haus, immer der Schnee vom Dach gerutscht. Vorne schaufeln wir aber immer in der Mitte weg, da dort der Eingang ist. Hier hinten liegt eine richtig schön lange Schlange. Sogar mit Rückenkamm.
Die Sache ist klar: Das wird ein Schneedrache!
Der Strom fällt aus, aber erst mal stört es uns nicht. Es ist ja noch hell.
Etwas später dröhnt Maschinenlärm von der Straße her und Edwin kommt auf seinem Traktor daher. Er räumt unsere Straße zur Hütte, damit wir Greenhorns nicht im Schnee feststecken.
Wir revanchieren uns mit einer Tasse heißem Ingwer-Tee und einem Kanister mit Benzin.
Bei ihm ist auch der Strom weg. Er sagt, dass sei ganz normal bei solchem Schneefall. Irgendein toter Baum kracht auf die Leitung und schon war´s das.
Es dauere in der Regel etwas fünf Stunden, bis der Schaden repariert und die Versorgung wieder hergestellt sei.
Wie wir so alle drinnen am Esstisch sitzen, röhrt draußen schon wieder ein Motor. Es ist einer der deutschen Jungs auf seinem Schneemobil. Seine Eltern sind ein deutsches Paar, das wir schon lange kennen. Sie wohnen unten am See.
Er ist ein netter Kerl, wenn auch nicht übermäßig gesprächig. Aber er erkundigt sich, was Dario und ich die letzten Jahre so gemacht haben und erzählt auch, er sucht nach einem Job als Holzfäller. Sein Zwillingsbruder hat sich hingegen eine Schmiede zuhause eingerichtet.
Die drei Kinder der Familie sind alle zuhause unterrichtet worden und hatten wenig Kontakt zu anderen Menschen. Entsprechend waren sie stets begeistert, wenn wir zu Besuch kamen.
Obwohl die Jungs damals noch echt klein waren, habe ich ihn sofort erkannt. Er hat immer noch so ein nettes, verschmitztes Gesicht wie damals. Ich bin gespannt wie sein Zwillingsbruder jetzt aussieht, denn die beiden sind zweieiige Zwillinge und waren schon immer grundverschieden.
Schließlich verabschiedet sich der gesamte Besuch wieder.
Das Abendessen genießen wir bei Kerzenschein, denn der Strom ist noch nicht wieder da.
Es gibt Braten mit einer fantastischen Sauce von Dario. An der hat er aber auch lange gearbeitet. Wir können gar nicht aufhören zu essen.
Als wir schließlich doch fertig sind, ist der Strom wieder da.
Rundum glücklich und zufrieden gehen wir zu Bett.
Weiter im Schneeparadies
ab 26.11.2017
So leben wir also vor uns hin. In unserer gemütlichen Hütte und mit dem wundervollen Schnee vor der Tür.
Dario baut jeden Tag an der Bobbahn weiter. Oft helfe ich ihm.
Wer die Bahn mit der größten Begeisterung nutzt? Mama!
Jeden Tag geht’s mit Juchhee und Juchei die kurvige Strecke hinab.
Es gibt stets wunderbares Essen und viele Spieleabende.
Wir besuchen Edwin und er uns.
Unsere deutsche Bekannte und ihr zweiter Sohn Maurice kommen vorbei und schenken uns eine wunderschöne Öllampe. Selbstgemacht, gefüllt mit Tannenzapfen und ein wahres Kunstwerk.
Maurice ist ein gutes Stück größer als sein Zwillingsbruder und redet etwas mehr.
Er kommt danach öfter mal bei uns vorbei, fährt Bob und hilft die Bahn weiterbauen.
Ab und zu besuchen wir Edwin, wobei Dario und ich gerne Mama und Pino mit dem Auto vorausschicken und mit den Schneeschuhen hinüber wandern.
Es sind vielleicht 2km, denn mit den Schneeschuhen können wir eine Abkürzung durch den Wald nehmen. Highlights dieser Wanderroute sind schneebedeckte Bäume, durch deren Äste die Sonne scheint, und Autowracks.
Letztere sieht man in Kanada häufig, denn jeder hat seinen eigenen Fuhrpark-Friedhof. Statt ins Oldtimer-Museum kann man hier einfach einen Spaziergang auf die Felder machen.
Auch schreiben Dario und ich an unseren Projekten. Für mich ist das unser Reiseblog.
Ich bearbeite noch einen Teil des Indonesien-Blogs und erinnere mich an unseren Besuch des Dorfes auf Lombok.
Damals fand ich die Vorstellung ganz schrecklich, mit der ganzen Familie in einem Raum zu schlafen. Hier in unserer Hütte machen wir im Prinzip genau das: Es gibt zwar ein Dachgeschoss, dass jedoch nur ein Galeriezimmer ist. Im Grunde gibt es also nur einen einzigen großen Raum. Naja, plus Klo und Keller.
Und es ist überhaupt kein Problem.
Allerdings bin ich durchaus froh, dass nicht noch etliche Geschwister herum wuseln.
An einem Einkaufstag besuchen Mama und ich eine alte Freundin. Sie war Trapper (Fallenstellerin), ist mittlerweile aber fast 90 Jahre alt und vor kurzem in ein Altenheim in der Stadt gezogen.
Früher habe ich kein Wort verstanden, wenn sie sprach. Jetzt verstehe ich immerhin mehr als die Hälfte, auch wenn ich mich noch immer schwer tue. Sie spricht einen sehr starken Slang.
Sie ist wie Edwin ein beeindruckender Mensch. Kaum 1,5m groß, hat sie ihr ganzes Leben in der Wildnis verbracht und mit dem Fallenstellen ihren Lebensunterhalt bestritten.
Mit Fallen meine ich aber keine kleinen Fallen, sondern ordentlich große, die man erst mal öffnen können muss. Fallen, mit denen man sogar Bären fangen kann.
Für mich war als Kind besonders einprägsam, dass sie in einem Wohnwagen lebte. Obwohl auf dem Grundstück sogar ein kleines, altes Häuschen stand. In dem lebte der Hund.
Ihr Geschirr war immer furchtbar schmutzig, sodass ich gar nicht davon essen wollte. Aber der Blaubeerkuchen war wiederum so gut, dass stets die Gier siegte.
Apropos Essen: Dario macht die besten Burger der Welt! Danke, mein Schatz 🙂
Adventskalender
01.12.2017
Mama darf endlich das erste Bild des Adventskalenders öffnen, den ich ihr geschenkt habe.
Natürlich ist er selbstgebastelt.
Jedes Bild zeigt einen Ausschnitt aus unserer Weltreise und wir erzählen die Geschichte dazu.
Der Karten-Krieg
04.12.2017 und 05.12.2017
Wir fahren in die Stadt.
Unterwegs lassen wir am See eine Packrat frei. Packrats sind kleine, süße Tierchen, die leider ausgesprochen gute Veranlagungen für die Zerstörung von Häusern haben.
Vom Aussehen her ähneln Siebenschläfern.
Mit Gimp habe ich unsere Weihnachtskarten nach Mamas Wünschen zusammengeschustert. Sehr simpel, aber nett.
Heute wollen wir sie drucken lassen.
In einem kleinen Laden gibt es einen ordentlichen Drucker. Die Frauen, die hier arbeiten, sind sehr nett. Verkauft werden Schreibwaren und Spiele. Zudem erledigen sie eben Druckaufträge.
Der erste Probedruck geht schnell.
Mein Entsetzen folgt sogar noch schneller: Ein dicker, blauer Streifen zieht sich vertikal durchs Bild! Was zum…?
„Oh, we had this problem allready last week“, sagt die nette Frau.
Der Fehler wurde auch letzte Woche schon behoben, aber jetzt ist er eben wieder da. Verflixt!
Wir wollen die Karten auf keinen Fall später losschicken. Sie sollen schließlich vor Weihnachten ankommen. Und erfahrungsgemäß dauert das etwa zwei Wochen.
Aber der Streifen gefällt mir ganz und gar nicht.
Und Mama soll auch nicht nochmal extra in die Stadt fahren, es sind schließlich 160km hin und zurück. Ich muss eine andere Lösung finden.
Am Computer im Shop ändern wir das Layout.
Statt zwei kleinen Karten drucken wir nun pro Seite eine große, bei der der blaue Balken genau über die Schrift geht. Da er nicht deckend ist, sieht es aus als läge er hinter der Schrift und betont nun geradezu das „Frohe Festtage“.
Ein paar kleine Karten ganz ohne Streifen bekommen wir auch noch, allerdings eben auch nur eine pro bedrucktem Blatt, statt zwei. Aber uns wird nur der ursprünglich vereinbarte Preis berechnet. Wir lassen ein Trinkgeld da, denn es hat ganz schön viel Zeit in Anspruch genommen, bis die Karten meinen Ansprüchen wenigstens annähernd genügten.
Noch immer bin ich nicht ganz zufrieden, denn die Ränder sind nicht gleichmäßig. Das war der Grund, warum ich ursprünglich gar keine Ränder geplant hatte, aber die nette Dame hat das beim Umstellen des Layouts einfach so gemacht und es schien mir unangebracht jetzt nochmal eine Änderung zu beantragen.
Mama und Pino haben schließlich auch die ganze Zeit gewartet und wollen endlich weiter.
Dario sitzt zum Glück im Café und erledigt Sachen im Internet.
Abends, als wir endlich zuhause sind, beginnt der „Karten-Krieg“.
Vierzig Karten sind zu schreiben. Wir sind vier Personen, davon zwei Männer. Männer schreiben nicht so viele Karten. Macht also mehr als 10 Karten pro Frau.
Zwar macht das Schreiben durchaus Spaß, aber irgendwann tut das Handgelenk weh.
Wir verschieben den Rest auf den nächsten Tag.
Doch Mama möchte ja so schnell wie möglich die Karten in den Briefkasten im Ressort werfen. Sie hofft, dass sie noch heute weg gehen.
So wird gleich nach dem Frühstück Stress aufgebaut und auf dem Schlachtfeld fliegen fast die Fetzen.
Als wir es endlich hinter uns haben, ist die Erleichterung groß.
Liebe Grüße an euch alle zuhause!
Wir vermissen euch.
Aber jetzt genießen wir erst mal wieder unsere Wildnis-Ruhe!
Erste Fahrt auf dem Schneemobil
13.12.2017
Mittags dröhnt der wohl vertraute Lärm von Maurices Schneemobil die Einfahrt herab.
Er fragt, wie´s denn bei uns aussieht und ob wir vielleicht endlich mal Edwins Schneemobil ausprobieren wollen?
Edwin hat uns ja schon vor einer ganzen Weile angeboten sein Schneemobil zu benutzen. Und das Handbuch haben wir auch schon brav gelesen. Aber bisher hat uns die Bobbahn gereicht, und wenn wir bei Edwin waren hatten wir nie das Gefühl, dass der passende Moment für eine Einweisung gekommen sei.
Da sagen wir nun gerne ja und fahren sofort mit dem Auto zu Edwin.
Maurice folgt uns auf seinem Schneemobil.
Edwin freut sich und erklärt uns nochmal die wichtigsten Dinge.
Vor allem den Panik-Knopf, den wir drücken sollen, wenn irgendwas schiefgeht. Also wenn zum Beispiel der Gashebel bei Full Speed einfriert.
Die erste Fahrt mache ich mit Maurice. Er fährt ein paar hundert Meter und ich schaue zu. Dann fahre ich zurück. Danach ist Dario dran mit Üben.
Das Fahrgefühl ist vollkommen anders als alles, was wir bisher kennen gelernt haben. Der Lenker ist sehr breit und man muss ganz schön Körpereinsatz beim Lenken leisten.
Der Wenderadius ist riesig – und das Ding hat keinen Rückwärtsgang! Wenn man nicht um die Kurve kommt, heißt es also absteigen und die Maschine an den Kufen herumziehen oder heben.
Und man gleitet eben damit, was doch etwas ungewohnt ist.
Doch unsicher fühlen wir uns nicht, und so machen wir gleich eine Fahrt bis zur Hauptstraße hinunter. Maurice voraus und Dario und ich auf Edwins Schneemobil hinterher. Mit dem Fahren wechseln wir uns wie immer ab.
Nach höchstens einer Stunde ist es Dario kalt, denn er hat keine Skihose an.
Wie wir im „Snowmobiler´s Safety Handbook“ gelernt haben, macht der Wind enorm viel aus. Ist es zum Beispiel -5°C kalt und man fährt mit 20km/h, so ist der Kühleffekt -17°C. Das nennt man hier den „wind chill factor“. Je kälter es ist, desto größer ist dieser Faktor. Logisch.
Außerdem wird es bald schon dunkel. Also fahren wir zurück zu Edwin.
Der grinst uns an, als wir wieder in die Hütte kommen und erklärt, dass nun, da wir wissen wie das Schneemobil funktioniert, wir ihm gleich mal neues Feuerholz holen können.
Das liegt in einem kleinen Schuppen.
Der Lastschlitten zum Einhängen am Schneemobil steht vor der Tür.
Diesen Gefallen tun wir ihm natürlich gerne und danach setzen wir uns auch noch eine Weile zu ihm und quatschen.
Von nun an holt Maurice uns immer wieder zum Schneemobilfahren ab. Er zeigt uns die Trails, die er und sein Bruder schon angelegt haben.
In dem jungen Mann mit seinen gerade mal 17 Jahren haben wir einen guten Guide und einen Freund gefunden. Er weiß sehr viel über die Gegend, die Leute, das Jagen und überhaupt alles, was hier eben von Bedeutung ist.
Truck im Graben und Poi auf Wrack
15.12.2017
Vormittags kommt Edwin zu Besuch. Wir hören den Motor auf der Zufahrt, doch dann geschieht nichts mehr. Schließlich gehen wir raus und schauen, was los ist.
Edwin steckt mit seinem Truck neben der Scheune fest.
Als wir angelaufen kommen, lacht er uns entgegen.
Er wollte wenden, um auf dem kleinen Parkplatz schräg gegenüber von der Scheune rückwärts einzuparken. Dabei ist er zu weit an die Seite gefahren. Der Schnee dort sieht zwar aus, als gehöre er zu Straße, tatsächlich beginnt dort aber schon der Graben. Und in dem steckt er nun fest.
Wir schütten Asche unter die Reifen, versuchen sie freizugraben, schieben – doch es nützt alles nichts.
Die Reifen sind heiß und verwandeln den Schnee in Eis, da ist kein Vorankommen mehr möglich.
Schließlich gehen wir alle ins Haus.
Mit unserem Auto kommen wir an seinem nicht vorbei. Also bleibt nur das Laufen.
Obwohl Edwin sich schon damit abgefunden hat, möchten wir nicht, dass er nach Hause laufen muss. Schließlich ist er nicht so fit.
Also machen Dario und ich uns mal wieder mit Schneeschuhen auf den Weg.
Es ist wundervolles Wetter und wir nutzen die Gelegenheit, um auch einige sehr schöne Fotos zu machen und Filme vom Poispielen auf den Autowracks.
Bei Edwins Haus angekommen, packen wir die Schneeschuhe hinten auf das Schneemobil und fahren damit wieder zu unserer Hütte.
Edwin fährt mit dem Schneemobil nach Hause und holt seinen Traktor.
Mit diesem alten Gefährt hat er schon sehr viele Autos aus Gräben gezogen.
Sogleich befestigen wir einen alten Strick an seinem Wagen und dann wird mit dem Traktor gezogen. Diesen Strick, so verkündet Edwin, habe er schon beim Bau unserer Hütte vor über zwanzig Jahren verwendet und er sei immer noch gut.
Letzteres wird allerdings kurz darauf widerlegt: Der Strick reißt.
Zum Glück findet sich irgendwo am Traktor auch noch eine Kette.
Mit der klappt es dann.
Während wir das Schneemobil geholt haben, hat Mama Edwin endlich die Bobbahn gezeigt. Bisher war er nämlich meistens da, wenn es schon dunkel wurde und wir haben ihm nur davon erzählt.
Als wir später mit Maurice nochmal bei Edwin auftauchen, um Schneemobil zu fahren, lässt er uns wissen, dass er von der Bobbahn schwer beeindruckt ist.
Sehr zufrieden begeben wir uns heute mit dem Schneemobil schon auf etwas unwegsameres Gelände, besonders ein kleiner Abschnitt durch den Wald hat es in sich: Immer wieder geht es steil bergab und um sehr enge Kurven. Wir sind vorsichtig, denn wir wollen es tunlichst vermeiden mit einem Baum zu nahe Bekanntschaft zu machen.
Weihnachtsbäckerei und Pläne
17.12.2017
Dario macht zum Frühstück etwas ganz besonderes: Ein “Sonnenrad”.
Das wird aus einem geschmeidigen Teig geflochten und ist gefüllt mit Pesto und Tomatensauce.
„Endlich mal nichts Süßes zum Frühstück!“, sind Pino und Dario sich einig. Denn selbst wenn es, wie oft, Brot zum Frühstück gibt, stehen immer gleich jede Menge Marmeladen auf dem Tisch. Das sind Mama und ich eben so gewohnt.
Jetzt, in der Weihnachtszeit, stimmen wir den Männern aber zu. Ein bisschen weniger Süß tut uns allen gut.
Da der alte Holzfeuer-Backofen nun ohnehin schon heiß ist, nutzen wir die Gelegenheit und machen uns ans Plätzchenbacken.
Das ist etwas, dass sich dieses Jahr bei uns durch die ganze Weihnachtszeit zieht: Plätzchen und Zitronenkuchen backen. Mit letzterem experimentiere ich immer weiter herum, in der Hoffnung, ihn irgendwann so hinzubekommen, dass er Darios Kindheitserinnerungen gerecht wird.
Auch schmieden wir Pläne für eine Sonnwendfeier am 21. Dezember.
Wir wollen Gäste einladen, ein großes Feuer machen und es soll Gulasch, Punsch und Plätzchen geben.
Besuch früh am Morgen – wer wagt es?!
18.12.2017
Morgens um 8:00 Uhr werden wir alle von einem Klopfen aus unseren Nachtträumen in die Wirklichkeit befördert. Was ist denn jetzt los?
Es folgen Stimmen und dann wird auch schon die Haustür geöffnet und jemand stapft herein.
Quasi ins Schlafzimmer, denn Mama und Pino schlafen im Wohnzimmer am Kamin.
Es sind ein alter Deutscher und seine Freundin.
Allerdings lebt er schon ewig hier und geht mittlerweile auf die 90 zu. Seine Freundin hat er erst vor ein paar Jahren kennengelernt, als sie in die Gegend gezogen ist.
Sie ist Kanadierin und sehr reiselustig. Immer wieder zieht es sie hinaus in die Welt, doch ihr Zuhause und Rückzugsort ist am See.
Beide sind Frühaufsteher.
Und jetzt wissen sie, dass wir es nicht sind.
Pino macht Tee für unsere Gäste, während wir anderen ein paar Minuten brauchen, um richtig wach zu werden und aus den Betten zu krabbeln.
Aber wie könnten wir den Beiden böse sein, haben sie doch selbstgemachtes Short Bread mitgebracht, das absolut fantastisch schmeckt. Es wird ein unterhaltsamer Morgen mit viel Lachen.
Sonnwendfeier und Feuer
21.12.2017
Wir haben all unsere Bekannten eingeladen.
Jetzt heißt es, letzte Vorbereitungen treffen.
Dario macht den Punsch fertig und ich die Torte. Mama putzt.
Anschließend schneiden Dario und ich die unteren Äste von Bäumen ab und häufen sie zu einem großen Haufen für das Feuer auf. Das ist sogar eine sehr sinnvolle Arbeit, denn es mindert die Brandgefahr im Sommer. Das Feuer wandert nämlich häufig über den Boden und geht erst in die Bäume hinauf, wenn es vom Boden aus die Äste erwischt.
Dann fällen wir einen Baum und machen daraus Baumstammfackeln.
Inzwischen sind wir etwas spät dran, denn es dauert länger als gedacht.
Als wir im Wald noch damit beschäftigt sind, die Stämme einzuschneiden, kommt schon Maurice mit seinem Schneemobil. Er gesellt sich zu uns.
Ich gehe zum Haus, um den Lastschlitten zu holen, und als ich die Einfahrt wieder hoch laufe, kommen mir schon die nächsten Gäste entgegen.
Ein Stück weiter oben kommt Maurices Bruder mit seinem Truck rückwärts die Zufahrt herunter. Ich bereite mich darauf vor, auf den Tiefschnee auszuweichen, doch als er mich sieht, will er Platz schaffen und weicht selbst etwas aus.
Leider überschätzt auch er dabei die tatsächliche Breite der Straße. Der Schnee ist trügerisch.
Und so landet er prompt im Graben.
Gekonnt manövriert er den Wagen und schafft es beinahe wieder heraus, doch eben nicht ganz.
Maurice braust mit seinem Schneemobil zu Edwin, der daraufhin einfach mit dem Traktor zur Feier kommt. Er zieht den Wagen aus dem Graben und parkt den Traktor vor der Veranda.
Jetzt sind wir vollständig.
Alle sind schon mit Punsch versorgt und der Gulasch kommt auch ausgezeichnet an.
Der alte Deutsche futtert eine Portion nach der anderen und lobt, dass der Gulasch genauso gut wie sein eigener sei. Auch Plätzchen, Lebkuchen und Zitronenkuchen werden auf den Wohnzimmertisch geräumt. Jeder isst, worauf er gerade Lust hat.
Schließlich gehen wir jungen Leute wieder nach draußen und zünden das große Feuer an.
Es brennt schnell lichterloh und Funken steigen in den winterlichen Himmel auf.
Einige Schneeflocken schweben aus der Dunkelheit herab und vervollkommnen das Bild.
Wir stellen eine Holzbank für die älteren Gäste auf und geleiten sie zum Feuer.
Dann zünden Dario und ich die Feuerpoi an und geben eine kleine Vorführung.
Zwar ist das auf dem unebenen, rutschigen Untergrund etwas schwierig, doch das Publikum ist ein dankbares und sehr begeistert.
Während alle noch eine Weile das Feuer genießen, fahren Maurice und wir abwechselnd die Bobbahn hinab. In der Dunkelheit macht das fast noch mehr Spaß, die Fahrt fühlt sich länger und zugleich schneller an.
Stecken geblieben
22.12.2017
Mama und Pino fahren zu Linda zum Einkaufen, wir bleiben zuhause.
Die beiden sind ganz schön lange weg, vermutlich sind sie mittlerweile bei Edwin und haben sich dort verquatscht.
Als sie gegen sechs Uhr abends zurück kommen, können sie allerdings eine etwas andere Geschichte erzählen. Sie sind nämlich auf halber Strecke zwischen Edwin und Linda stecken geblieben. Wie die anderen, hat auch Mama die Breite der Straße überschätzt.
Also mussten sie zu Edwin laufen. Bei -17°C war da die Begeisterung eher mäßig. Auch Edwins; schon wieder jemand stuck!
Aber sie haben es zusammen geschafft.
Und jetzt sitzen wir wieder alle beisammen.
Pino sieht sogar richtig munter aus. Trotz Herzschrittmacher und etwas dünnen Klamotten hat er die Wanderung klasse überstanden. Der kanadische Winter scheint bisher ausgezeichnet für die Gesundheit zu sein!
Wir, die Holzfäller
23.12.2017
Heute machen wir das, was wir Mama und Pino schon lange versprochen haben: Wir fällen Bäume und machen Feuerholz.
Dario hat heute die Hosen an.
Im wörtlichen Sinne, denn wir haben nur eine Schutzhose. Derjenige, der die trägt, bedient die Kettensäge. Heute also Dario.
Insgesamt vier Bäume fallen. Allerdings muss keiner von ihnen das Zeitliche segnen, denn sie sind alle schon lange tot. Opfer des Pine Beetle.
Wenigstens beim Feuerholzmachen ist das ein Vorteil, denn die Bäume sind schon trocken und müssen nicht lange gelagert werden, bevor sie für den Ofen taugen.
Den ganzen Tag, bis in die Dunkelheit hinein, sind wir damit beschäftigt die mächtigen Stämme zu entasten, den Stamm in handliche Stücke zu zerteilen und mit den beiden Schlitten (Bob und Lastschlitten) zur Scheune zu ziehen.
Es ist eine Beschäftigung, die sehr zufrieden macht.
Als krönenden Abschluss fälle ich mit dem Beil noch eine kleine, grüne Tanne:
Unseren Weihnachtsbaum!
Da wir keinen richtigen Weihnachtsbaumhalter haben, stellen wir die Tanne einfach in eine Vase und stapeln zur Fixierung Holzscheite drum herum.
Weihnachten in der kanadischen Zauberwelt
24.12.2017
Neuer Glitzerschnee liegt auf den Wipfeln, die -15°C sind schön kalt.
Wir fahren Bob, „Yeeeha!“.
Die Bobbahn ist mittlerweile übrigens fertig und richtig, richtig lang. Einige hundert Meter locker. Die Fahrt dauert etwa anderthalb Minuten.
Sie geht vom Hügel hinter dem Haus bis ins Tal.
Am Startpunkt hat man eine wundervolle Aussicht über die Baumwipfel und bis auf die fernen, schneebedeckten Hügel auf der anderen Seite des Sees.
Danach machen wir einen Spaziergang auf die Felder. Weihnachtlicher könnte es kaum sein – wir fangen sogar an, Weihnachtslieder zu singen.
Endlich passt sogar „Leise rieselt der Schnee…“ mal wieder.
Anschließend schmücken wir den Weihnachtsbaum.
Die Dekoration besteht aus einigem Christbaumschmuck, den wir aus Deutschland hergeschickt haben. Die Kerzen habe ich selbst gezogen, denn für unsere Halterungen gibt es hier keine Kerzen zu kaufen. Und als kleines Extra können wir noch einige Lebkuchen-Eiskristalle aufhängen, die wir in der Stadt im Café geschenkt bekommen haben, weil die einfach viel zu viele davon hatten.
Dario macht einen tollen Entenbraten und ich bereite das Dessert vor: Eine Platte mit Lebkuchen, Linzer Plätzchen, Zitronenkuchen, Brownies und Frischkäse-Honig-Creme in karamellisiertem Strudelteig.
Edwin folgt unserer Einladung und kommt zum Essen.
Es schmeckt fantastisch.
Dario und ich spülen ab, während am Tisch noch geplauscht wird. Dann machen wir Musik an und tanzen im Wohnzimmer, bis die anderen dazu kommen.
Die Bescherung ist sehr bescheiden, aber umso schöner.
Besonderes, unerwartetes Highlight ist Edwins Geschenk an uns: Eine Feuerwerksbatterie.
Jetzt kann Silvester kommen!
Den Weihnachtsabend lassen wir mit zwei fliegenden Lampions ausklingen, die über die Baumwipfel davontreiben.
Der See friert zu
27.12.2017
Der See verwandelt sich langsam von einer großen, dampfenden Fläche in eine glitzernde Ebene.
Immer wieder sind wir begeistert von der Traumwelt um uns herum.
Selbst die lange Fahrt zum Einkaufen wird so zum Genuss.
Ja, wir sind verwöhnt!
29.12.2017
Es geht uns sowas von gut.
Selbst die Zeit vor dem Computer könnte gemütlicher nicht sein.
Das Kaminfeuer im Rücken und die Aussicht auf die Schnee-Zauberwelt.
Im Moment können wir ab und zu eine große Eule beobachten, die vor dem Haus jagt.
Und überhaupt werden wir sehr verwöhnt, besonders dank Darios Kochkünsten.
Jeder Tag wird zum Feiertag.
Unermüdlich probiert er aus und erschafft wahre Kunstwerke – sowohl für´s Auge als auch für den Gaumen.
Pino schreibt in sein Tagebuch: “Wenn Dario kocht, dinieren wir. Wenn jemand anderes kocht, essen wir.”
Silvester in der Wildnis
31.12.2017
Wir beginnen den letzten Tag des Jahres so wie sehr viele Tage dieses wundervollen Jahres: Wir schlafen ordentlich aus.
Mir geht es wieder ganz gut, nachdem ich die letzten Tag ziemlich angeschlagen war und das Haus nicht verlassen habe. Doch jetzt werde ich den Übergang vom alten ins Neue Jahr gebührend begehen können.
Nach dem Frühstück holen wir gleich Die Siedler aus dem Regal und spielen mit Mama.
Wie immer ist es ein harter Kampf, denn Dario und ich schenken uns nichts. Auch Mama wird langsam besser. Nur den Räuber benutzt sie noch immer nicht ordentlich, sie ist einfach zu nett.
Am Ende gewinne ich knapp vor Dario. Ein Glück, nach meiner Niederlage gegen ihn beim letzten Mal.
Gegen vier Uhr beginnen wir mit der Vorbereitung des grandiosen Abendessens.
Vor dem letzten Einkauf hat er mich gefragt, was ich gerne an Silvester essen möchte und meine Antwort kam ziemlich prompt: Burger!
Hätte mich jemand noch vor fünf Jahren jemand gefragt, zu welchem Anlass ich gerne Burger essen würde, hätte ich erwidert: „Zu keinem!“
Doch seit Dario auf Burg Staufeneck die Kunst der Gourmet-Burger erlernt und sogar noch verfeinert hat, sieht die Sache ganz anders aus. Da Mama und Pino dank Dario ebenso zum Burger gefunden haben wie ich, wird mein Wunsch erfüllt.
Während Dario also alles für die Gourmet-Burger und einen großen Salat vorbereitet, mache ich kleine Quarkklößchen und schneide Äpfel für das Dessert: „Apfel-Champagner-Süppchen mit Krokant-Quarkklößchen“.
Zugegeben, den Champagner ersetzen wir dieses Mal durch einen alkoholfreien Sekt. Aber das ist keine schlechte Wahl, denn der Sekt ist sehr schön fruchtig und passt wunderbar zu den Äpfeln.
Schon um fünf Uhr brummt ein Motor draußen und dann stapft Edwin herein.
„You`re early!“, begrüßt Dario ihn, denn wir sind noch lange nicht in der Küche fertig.
„My name is Edwin, not Early.“, kommt prompt die Antwort, begleitet von Edwins humorvollem, einzahnig-einzigartigem Lächeln.
Die „Erwachsenen“, wie wir sie gerne immer noch nennen, machen es sich im Wohnzimmer gemütlich.
Als wir sie schließlich zum Essen rufen, werden „Oh“s und „Ah“s laut.
Solch riesige Burger hat wohl noch keiner von ihnen bisher gesehen.
Und der Salat ist auch eine Wonne.
Schnell wird noch angestoßen. Mit dem leckeren Weißwein von der Mosel, den man hier im Liquor Store erstehen kann und den Edwin besonders liebt.
Danach hört man für eine ganze Weile nur noch glückliches Mampfen, gelegentlich unterbrochen von Lobeshymnen auf den Koch und sein Werk.
Jeder findet seine eigene Taktik, die wenig mundgerechten Burger zu verspeisen: Edwin und Pino essen sich von oben nach unten durch, Mama kreuz und quer, Dario schneidet ihn wie eine Pizza und ich benutze als einziger meine Hände, quetsche den Burger zusammen, reiße den Mund weit auf und esse ihn wie jeden anderen Burger auch.
Allerdings muss ich mir danach nicht nur die Hände waschen.
Wir sind alle so was von happy!
Zum Glück ist die Nachspeise eher luftig und leicht, sonst müssten wir sie wohl auf später verschieben. Auch hier wird Begeisterung laut, allerdings kein Vergleich zu der vorangegangenen bei den Burgern. Uuuuh, beim Schreiben kriege ich doch tatsächlich schon wieder Hunger!
Dario und ich räumen auf, während im Wohnzimmer die Gespräche fortgesetzt werden.
Edwin sagt schon vor acht Uhr, dass es jetzt langsam Zeit für ihn sei, wieder nach Hause zu fahren. Wir erklären ihm, dass er aber wenigstens das Feuerwerk, das er uns ja geschenkt hat, mit uns zusammen erleben muss. Wir erklären auch, dass wir bereit sind es schon jetzt zu veranstalten, aber dass Mitternacht uns natürlich lieber wäre.
Leider haben wir vergessen Dinner for One zu besorgen, aber stattdessen fange ich an Fotos von unserer Reise zu zeigen. Das funktioniert in diesem Fall so: Ich zeige etwa fünf bis zehn Minuten lang Fotos und dann fällt Edwin wieder irgendein historisches Ereignis zu dem Thema ein und er redet 15 Minuten lang.
Auf die Art merkt er gar nicht, wie die Zeit vergeht und ist sehr verwundert, als es plötzlich schon kurz vor Mitternacht ist. Sogar überaus verwundert, denn sonst ist er um diese Zeit schon lange im Bett.
Jetzt können wir also doch den Übergang ins Neue Jahr ganz wie gewohnt begehen.
Der Sekt wird eingeschenkt und wir gehen mit unseren Gläsern nach draußen in die Kälte.
Dario passt ganz genau auf, wie spät es ist, doch wir sind schon wieder alle am Reden als er verkündet: „Zeit anzustoßen!“
Rutsch ins Neue Jahr
01.01.2018
„Happy New Year!“
Ich verteile Wunderkerzen und wir zünden sie an.
Anschließend zünden wir zwei römische Lichter.
Und dann die große Batterie.
Das Feuerwerk ist toll!
Eine wunderschöne Abfolge von bunten Lichtern und mein Lieblingsabschluss, der Funkenregen.
Wir bringen Edwin zu seinem Auto und genießen den leichten Schneefall.
Ich strecke die Zunge heraus und fange ein paar Flocken.
Dario leuchtet mit einer Taschenlampe in die Luft und bringt die Flöckchen zum glitzern und funkeln.
Wir winken Edwin hinterher, dann schnappen wir uns den Bob und laufen auf den Hügel hinterm Haus. Es ist ziemlich hell dank zunehmendem Mond.
Die erste Bobfahrt des Jahres!
Das nenne ich mal einen „Rutsch ins Neue Jahr“!
Nie genug vom Winter Wonderland
Maurice kommt uns alle zwei oder drei Tage mal besuchen. Manchmal basteln wir noch an der Bobbahn herum, ein andermal spielen wir Brettspiele.
Und natürlich gehen wir Schneemobil fahren.
Ab und zu sehen wir dabei Wild, etwa Rehe oder Kojoten.
Besonders spaßig wird es, als wir bei Maurice zuhause Ski finden, die Dario passen.
Danach zieht Maurice ihn mit dem Schneemobil über die Felder. Eine riesige Gaudi!
Selbst die Bobbahn ist vor Dario und seinen Ski nicht sicher, stellt sich aber als etwas zu eng heraus. Diese Fahrt macht er nur einmal.
Wir spielen ja viel Skat, aber so witzig wie in dieser Zeit war es noch nie. Einmal endet Pino, der sonst häufig mit 100 bis 200 Punkten gewinnt, bei fast 1000 Minuspunkten.
Dario eifert ihm nach, landet aber nur bei -350.
Der absolut schönste Abend ist aber einer, an dem einfach ein Lacher den nächsten gibt, sodass Mama sich am Ende fast zu Tode lacht. Kein Witz, da Lachanfall und Verschlucken nicht die beste Kombination sind. Doch alles geht gut und wir lachen nun auch noch darüber.
Endergebnis an diesem Abend: Am meisten gelacht haben Mama, Dario und ich. Jeder von uns hat mehr als 200 Minuspunkte. Pino als zumeist derjenige, der alle anderen zum Lachen gebracht hat, gewinnt mit über 200 Pluspunkten.
An einem Tag wird es so warm, dass es regnet. Zum Glück erst gegen Abend, als wir gerade aus der Stadt zurückkommen, denn bald danach ist es bereits spiegelglatt.
Aber das kann uns jetzt ja egal sein: wir sind daheim und haben jede Menge Futtervorräte.
Ganz im Gegenteil: Wir freuen uns sogar! Denn so glatt war die Bobbahn noch nie.
Wir müssen etliche Kurven aufstocken, um nicht darüber hinaus zu schießen.
Danach schneit es zwar immer wieder, aber wir räumen jedes Mal die Bahn, sodass das Eis wieder frei liegt. Perfekte Bedingungen.
Wir haben mittlerweile den Plan, ein Jonglage- und Poi-Video von der Reise zusammenzuschneiden.
Auf der Bobbahn drehen wir auch ein paar Szenen.
In die Filmbearbeitung arbeiten wir uns allerdings gerade erst ein, das dauert also noch eine Weile.
Spaziergang auf dem See
10.01.2018
Der See ist jetzt wirklich dick genug zugefroren, um sich auf ihn zu wagen.
Allerdings halten wir uns trotzdem eher am Rand.
Wir sind nicht scharf darauf, mit dem kalten Wasser Bekanntschaft zu schließen.
Ski-Ausflug
11.01.2018
Nachdem wir uns schon eine ganze Weile darüber Gedanken gemacht haben und unser Gepäck bereits seit ein paar Tagen bereit steht, tun wir es heute endlich: Wir stehen um 4:00 Uhr auf und fahren in das fast 300km entfernte Skigebiet.
Das letzte Stück des Weges in die Berge ist absolut zauberhaft.
Die Bäume sehen aus, als seien sie aus Zuckerguss. Kaum sieht man noch etwas grünes, alles ist sooooo weiß!
Gegen 10:00 Uhr erreichen wir den Parkplatz, leihen uns Ski und auf geht‘s.
Es ist unglaublich: Wir sind fast die einzigen auf der Piste!
Obwohl unter der Woche nur zwei Lifte aufhaben, gibt es jede Menge Pisten zu erkunden. Wir fahren wie im Traum durch eine Märchenwelt.
Von so etwas habe ich immer geträumt.
Da ist niemand hinter uns, in dessen Weg ich geraten könnte. Und niemand vor uns.
Oft fahren wir eine komplette Abfahrt ohne auch nur einem einzigen Menschen zu begegnen.
Die Sonne scheint und der Schnee glitzert, keine einzige Eisplatte erschwert die Fahrt. Der Schnee auf den Pisten ist griffig, und neben den Pisten ist schönster Tiefschnee, zum Teil noch völlig unberührt.
Allerdings merken wir schnell die -25°C und den Wind. Beheizte Lifte gibt es natürlich nicht, da können zehn Minuten im Sessellift ganz schön lang werden.
Nach knapp drei Stunden spüre ich meine Fingerspitzen nicht mehr und wir machen Mittagspause vor dem Ofen der Gaststube.
Danach fahren wir bis zum Schluss, allerdings bleiben wir meist vor jeder Fahrt einige Minuten oben stehen und genießen andächtig die Aussicht.
Müde und durchfroren, aber mit einem überglücklichen Lächeln auf den Lippen, fahren wir in die nahe gelegene Stadt und suchen uns ein Hotel.
Auf dem Weg in die Stadt sehen wir sogar endlich zwei Elche!
Leider bleibt es bei diesem einen Tag, denn Dario hat sich eine Sehne gezerrt.
Am nächsten Tag geht es also wieder nach Hause.
Aber der Plan steht fest: Wir kommen wieder!
Eishockey
12.01.2017
Während wir beim Skifahren waren, hatten Mama und Pino Besuch von einem der Jungs.
Er hat die frohe Botschaft gebracht, dass der See endlich dick genug zugefroren ist, um Eishockey zu spielen, und heute ist es daher so weit: Aus der ganzen Umgebung kommen die Leute zusammen und spiele gemeinsam.
Wir fahren auch zum See, um etwas zuzuschauen.
So viele Leute habe ich hier noch nie auf einem Haufen gesehen!
Wir können uns gar nicht alle Namen merken.
Es stellt sich heraus, dass das Eis ganz schön hubbelig ist, von dem Regen vor einiger Zeit. Daher haben nicht alle Spieler Schlittschuhe an.
Was uns wiederum die unerwartete Möglichkeit gibt, mitzuspielen.
Und wir schlagen uns gar nicht schlecht. Vor allem Dario, der als Kind manchmal Eishockey gespielt hat, legt ordentlich los und schießt etliche Tore.
Ich erinnere mich kaum noch an die wenigen Hockeystunden in der Schulturnhalle, aber zum Glück gibt es hier kaum Regeln, also kloppe ich einfach mit dem Schläger dem Puck hinterher, und das klappt irgendwie auch.
Bald verstehen wir, warum Maurice trotz -12°C im T-Shirt spielt.
Letzte Tage
Die letzten Tage verbringen wir sehr gemütlich mit unseren gewohnten Beschäftigungen wie Bobfahren, mit Schneemobil und Skiern die Umgebung unsicher machen, Spiele spielen, Spazieren gehen, Freunde besuchen und natürlich gut kochen und essen.
Langsam macht sich das bekannte Reisekribbeln bemerkbar.
Wir überlegen, ob wir mit dem Taxi oder dem Zug vom Flughafen in Mexico City zum Hotel fahren und sprechen durch, wie wir uns im Falle eines Überfalls zu verhalten haben.
Wir haben so einiges von unseren Freunden in Sydney gehört, von denen einige aus Mexiko und Südamerika stammen oder schon dort waren.
Besonders eingeprägt hat sich die Warnung, dass viele Überfälle unter Drogen durchgeführt werden, weil die „Bösewichte“ so etwas sonst gar nicht tun würden. Aber sie müssen stehlen um zu überleben, also nehmen sie Drogen, um die Hemmschwelle zu senken.
Das große Problem: Geht etwas schief, wehrt sich zum Beispiel das Opfer, so reagieren diese unter Drogen stehenden Diebe oft unvorhersehbar und es gibt schnell Tote.
Fazit: Einfach alles rausrücken.
Wir hoffen natürlich sehr, so etwas nie zu erleben.
Aber so unangenehm es auch ist, man spricht es besser mal durch.
Auch entscheiden wir, Daniela (eine Freundin aus Sydney, LAVA-Architects) nicht in ihrer Studienstadt zu besuchen, da das Auswärtige Amt eine Reisewarnung für diesen Ort ausgesprochen hat. Und an diese Warnungen halten wir uns wenn irgend möglich.
Natürlich freuen wir uns auch auf all das Neue, das uns bald erwartet.
Allerdings fällt es wirklich schwer, diese weiße, idyllische Zauberwelt zu verlassen.
Ganz fest nehmen wir uns vor, so bald wie möglich wieder herzukommen.