Endlich wirklich im Colca Canyon
04.05. – 09.05.2018

Natürlich lassen wir uns von dem Busunglück nicht abschrecken und fahren bald darauf selbst wieder in den Canyon. Unfälle können sich schließlich jederzeit und überall ereignen.

Am Morgen unserer Abreise begleitet Silvia uns an die Straße, winkt ein Taxi herbei und verhandelt den Preis. Dann macht sie uns klar, dass wir, sollten wir im Canyon abermals krank werden oder aus sonstigen Gründen Hilfe brauchen, uns gefälligst bei ihr melden sollen.

Viele Umarmungen und Wangenküsschen später sind wir schließlich auf dem Weg zur Busstation.

Der Canyon ist einfach wunderschön und wir sind happy, wieder in der Natur zu sein. Wir übernachten im selben netten Hostel wie schon bei unserer ersten Anreise und starten gleich am nächsten Morgen unsere Wanderung nach Llahuar.

Es geht die meiste Zeit recht steil hinab in den Canyon. Insgesamt eine Strecke von über zehn Kilometern. Das hörte sich für uns bisher nach gar nicht so viel an, aber bald wird uns klar, dass wir zu viel Gewicht in unseren Rucksäcken herumschleppen. Vor allem, weil wir nicht gerade in bester Kondition sind.

Trotzdem ist die Strecke wunderschön.

Als wir endlich die Straße im Tal erreichen, wären wir absolut bereit, ein Taxi zu nehmen … Doch natürlich gibt es hier keines. Also schleppen wir uns auch noch die letzten Kilometer bis zur Lodge.
Wir sind so fertig, dass wir tatsächlich einen Bungalow mieten, statt unser Zelt aufzubauen. Der Preisunterschied ist ohnehin gering.

Wir buchen eine Nacht.

Zur Lodge gehören heiße Quellen. Zwei Betonbecken, die gleich unten am Fluss liegen. Es sitzen bereits recht viele Backpacker darin, doch diesmal stört uns das kaum. Wir sind einfach nur fertig und genießen die wohltuende Wärme und den traumhaften Blick über den Fluss.

Beim Abendessen stellen wir fest, dass viele der Leute total nett sind, und es ergibt sich eine größere Runde, mit der wir Karten spielen.

Wir beschließen, mindestens eine weitere Nacht zu bleiben. Es ist einfach zu schön.

In der Früh stellt sich heraus, dass das eine absolut weise Entscheidung war. Wir haben so schlimmen Muskelkater, dass wir uns kaum bewegen können.

In die heißen Wasserbecken schaffen wir es aber natürlich, und dort bleiben wir dann auch. Stundenlang genießen wir sie vollkommen alleine, die Wanderer kommen alle erst gegen Mittag an.

Es gefällt uns hier so gut, und unser Muskelkater bessert sich so wohltuend, dass wir einfach alle Nächte in Llahuar verbringen. An einem Tag wandern wir, nur mit Wasser und Mittagsessen ausgerüstet, in ein Seitental des Canyons und nehmen genussvoll die Natur in uns auf.

Zu Mittag essen wir am Fluss, dann kehren wir um.

Die Strecke ist wunderschön, der Weg nur ein enger Fußpfad an einem steilen Hang entlang. Einmal kommen uns Esel entgegen und wir erinnern uns an eine Warnung: Wenn Esel im Anmarsch sind, immer an die Hangseite stellen, niemals an die Talseite!

Die gemütlichen und wirklich goldig dreinblickenden Tiere nehmen auf den engen Pfaden wohl nicht allzu viel Rücksicht auf unvorsichtige Touristen. Da landet schon mal einer im Gestrüpp oder kullert den Hang hinab … Das wollen wir nicht zu unseren Abenteuern zählen können.

Den Abend verbringen wir wieder in unseren geliebten heißen Bädern.

Wir entscheiden uns dafür, unser vieles Gepäck nicht wieder nach Cabanaconde hinaufzuschleppen, sondern stattdessen den kleinen Bus zu nehmen, der einmal am Tag hinauffährt.

Mehr als überpünktlich sind wir morgens an der Bushaltestelle, denn wir wissen ja, wie relativ Zeit hier ist. Auch wenn in der Regel eine Verspätung wahrscheinlicher ist, als das Gegenteil. Aber da wir nur eine Chance heute haben, wollen wir sie nicht verpassen.

Bald darauf kommt noch eine Gruppe von vier Touristenmädels von der Lodge angelaufen. Alle mit winzigen Rucksäcken. Dario und ich werfen uns einen Blick zu, der sagt: „Ich wünschte, wir hätten so wenig Gepäck, dann würden wir nämlich weiterwandern“.

Als einziger Einheimischer gesellt sich schließlich noch ein hutzeliger alter Mann mit einem großen Sack voller Grünzeug zu uns.

Doch als der „Bus“, ein weißer Van mit Platz für ca. 12 Personen, schließlich eintrifft, ist er schon rappelvoll mit Einheimischen. Dass der alte Mann noch reinpassen muss, ist für uns klar. Aber dann wären ja wohl eigentlich wir dran, oder? Wir waren schließlich zuerst da und die fettesten Rucksäcke haben wir auch…

Doch da wir uns nicht gleich hineinquetschen – schließlich müssten unsere Rucksäcke auf dem Dach verstaut werden – sind die Mädels  schneller. Sie ignorieren uns einfach.

Als der Van von dannen holpert und außer uns auch noch eine Staubwolke zurücklässt, blicken wir ihm düster nach.

Vollkommen planlos setzen wir uns erst mal wieder auf die Bank der Bushaltestelle.

„Was machen wir denn jetzt?“, frage ich Dario.

„Jedenfalls nicht wieder zurück in die Lodge gehen!“, kommt prompt die Antwort, als wisse er bereits, worauf ich hinaus will. Ich hätte nicht viel gegen eine weitere Nacht an den heißen Quellen einzuwenden. Andererseits hat er recht, dass es uns eigentlich weiter zieht.

„Hoch laufen will ich aber auch nicht“, gebe ich bekannt. Die Rucksäcke sind wirklich furchtbar schwer, unsere Beine schmerzen noch immer leicht und zehn Kilometer steil bergauf sind wirklich heftig. In dem kleinen Guide für die Strecken im Canyon, den wir von unserem Hostel in Colcapampa erhalten haben, wird die Strecke in dieser Richtung nicht mal aufgeführt…

Während wir merken, wie wir etwas gereizt werden, kommt plötzlich ein weißer Pickup-Truck um die Kurve. Ich stehe sofort auf und strecke den Daumen raus.

Der Wagen hält an und die beiden Männer darin wollen wissen, wohin wir denn möchten.

„Colcapampa?“

„Si!“

„No problema.“

Wir steigen ein und fühlen uns sehr vom Glück begünstigt. Unsere Rucksäcke liegen auf der Ladefläche und wir haben jede Menge Platz auf der bequemen Rückbank.

Zudem fühlen wir uns in diesem Wagen wesentlich sicherer als wir es auch nur beim Anblick des total überfüllten, alten Vans getan hatten.

Es dauert zudem gar nicht lange, bis wir den „Bus“ überholen. Und obwohl wir einige Male anhalten, um Fotos zu machen – die beiden scheinen auch Touristen zu sein – kommen wir eine halbe Stunde vor den anderen in Colcapampa an. Deren Eintreffen können wir nämlich bequem beobachten, während wir bereits auf der Terrasse eines Cafés unser Mittagessen einnehmen.

Anschließend spazieren wir in die umliegenden Felder. Es ist traumhaft schön. All die kleinen Terrassen mit Reis und Gemüse. Dazwischen die Kanalsysteme.
 

Dario hilft einer Frau dabei, einen klemmenden Kanal zu öffnen und sie bedankt sich herzlich.

Wir sind jedes mal beeindruckt, wenn eine der Frauen an uns vorbeizieht. Denn trotz ihrer schweren Lasten sind sie stets sehr zügig unterwegs.

Am Abend regnet es und wir nehmen wieder ein Zimmer im Hostel, statt unser Zelt zu testen.

Mit dem ersten Bus um 7:00 Uhr fahren wir für wenige Soles hinauf zum „Cruz del Condor“.
Leider ist der Himmel wolkenverhangen, weshalb es keine Thermik gibt, auf der die großen Vögel sich in die Höhen schwingen könnten. Entsprechend bekommen wir erst mal keine zu sehen.

Doch nach gut einer Stunde bricht die Sonne durch und schon kurz darauf gleiten die ersten Herrscher der Lüfte an uns vorbei. Lange beobachten wir das Spektakel der majestätischen Gleiter mit ihren gut zwei Metern Spannweite (sogar über drei Meter sind möglich), die oft nur wenige Meter über den Köpfen der Hunderte von Beobachtern vorbeirauschen.

Dann fahren wir mit einem weiteren Bus in einen kleinen Ort namens Yanque, der ebenfalls wunderschön in den Feldern gelegen ist. Hier zeichne ich die Dorfkirche. Sie liegt an einer beeindruckenden „Plaza de Armas“, wie sie wohl jeder von den Spaniern angelegte Ort hier hat.
Selbst die ganz kleinen Dörfer verfügen häufig über einen Platz von der Größe eines Fußballfeldes.

Wenigstens dies ist etwas Gutes, das die Spanier hergebracht haben. Denn diese Plätze werden rege genutzt. Sie bilden den perfekten Treffpunkt und genug Platz für alle möglichen Aktivitäten. Für Fußball und dergleichen gilt dies allerdings nicht, denn die Plätze sind in der Regel fast schon kleine Parks mit großen bepflanzten Bereichen, zwischen denen sich Wege und kleinere Plätze ergeben.

Zu Mittag essen wir in einem hübschen Restaurant mit Blick auf die Felder und Hügel. Es gefällt uns so gut, dass wir kurz überlegen, noch zwei Tage hier zu bleiben. Doch es weht ein kalter Wind, und ein Blick auf die Wettervorhersage verheißt regnerische Zeiten.

Also nehmen wir den Nachmittagsbus zurück nach Arequipa.