Überquerung eines Passes – oder: Flucht ins Trockene
Unterschlupf in Hokitika
Tag 104 – 106 (24. – 26.01.2017)

Von Greymouth aus gibt es einen sehr schönen Radweg, dem wir eine Weile folgen.

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Allerdings vermeiden wir Umwege und schauen zu, dass wir auf schnellstem Wege nach Hokitika kommen. Dort erwartet uns schon ein älterer Herr namens Kevin von WarmShowers. Und unser Handy.

Auch in dieser Zeit machen wir viele Bilder, doch unglücklicher Weise geht Darios Festplatte kurz nach der Übertragung kaputt und wir haben die Bilder noch nicht auf meine kopiert. Daher folgt nun eine Lücke. Nur einige wenige Bilder, die wir mit der Kamera und nicht mit dem Handy gemacht haben, dokumentieren die Zeit von nun an bis zur Abreise nach Australien.

Die Unterkunft ist gut und Kevin nett.

Da es beständig regnet und wir viele Dinge in der Bibliothek am Computer erledigen müssen, bleiben wir letztendlich drei Tage bei ihm. Dann gibt es endlich mal besseres Wetter und wir sehen zu, dass wir fortkommen.

Fort von der Westküste.

Der „Wilderness Trail“
Tag 107 (27.01.2017)

Wir folgen dem „Wilderness Trail“ und sind vollkommen begeistert.

Am ersten Tag geht es viel durch den Wald, an kleinen Flüssen vorbei und über Brücken. Nur selten treffen wir andere Menschen.

Am Abend erreichen wir einen See mit DOC Campground.

Dario kümmert sich ums Abendessen – allerdings nicht so wie sonst.

Er setzt eine Idee um, auf die uns die Deutschen in der Golden Bay gebracht haben:

Enten kann man angeln!

Und nicht nur auf dem Jahrmarkt. Das ist kein Witz. Mit einer Angelschnur, die wir am Wegesrand gefunden haben und einem Haken, den uns die Deutschen gegeben haben, setzt Dario sich an den See. Als Köder dient ein Stückchen Brot. Natürlich.

Derweil baue ich das Zelt auf. Oder besser: Ich versuche es. Beim aufrichten ertönt jedoch ein „knrsch“. Der Stab ist gebrochen.

Ich gehe zum See, um Dario zu sagen, dass ich eine ganze Weile brauchen werde, bis das Zelt geflickt ist und finde ihn ähnlich deprimiert vor.

Immer und immer wieder wirft er die Schnur mit dem Brot aus und die Enten stürzen sich darauf. Doch statt am Haken hängen zu bleiben schwimmen sie genüsslich mit dem Brot davon.

Ich freue mich für die Enten. Und ich weiß ganz genau: Müsste ich Tiere selber töten, um Fleisch essen zu können, ich wäre vom selben Moment an Vegetarier.

Doch just in diesem Moment verändert Dario sein Vorgehen und hat doch eine am Haken.

Ich flitze wieder zum Zelt und mache mich an die Reparatur. Schnur raus, Stäbe neu anordnen und Schnur wieder durchziehen. Letzeres hört sich allerdings einfach an als es ist! Die elastische Schnur einfach wieder durch die Stäbe zu ziehen ist illusorisch. Denn sie ist dick und zudem zu kurz, wenn sich nicht gespannt  ist. Ich versuche es mit einem Faden als Verlängerung, doch der lädt sich statisch auf und bleibt innen an den Stabröhren hängen.

Ich wühle mich durch unsere Habseligkeiten und stoße dabei auf die Schnur für das Diabolo. Und mit der klappt es dann.

Da der zweite Zeltstab auch schon nicht mehr so gut aussieht, ordne ich auch bei diesem die Stäbe neu an. Echt miese Qualität. Und dabei haben wir doch extra ein hochwertiges Zelt genommen.

Als ich schließlich fertig bin, ist auch das Essen fertig.

Dario ist aber nicht zufrieden und den restlichen Abend etwas grummelig, denn „Die Ente hat mehr Federn als Fleisch und das Fleisch ist eher wie Gummi.“

Mit der Zubereitung von frischem Wildgeflügel hat er noch keine Erfahrung und ist jetzt enttäuscht, dass es nicht einfach funktioniert hat.

Wir essen trotzdem auf, der Ente zu Ehren.

Magische Momente
Tag 108 (28.01.2017)

Wir bauen das Zelt ab und setzen uns zum Frühstücken an den See.

Danach beginnen wir Poi zu spielen, denn eigentlich wollen wir gar nicht weiter. Es ist grad so schön hier.

Es ist Samstag und immer mehr Leute kommen an den See, um zu entspannen. Eine Familie ist mit Boot da und sie ziehen einen großen Schwimmreifen mit dem Boot, in dem eine Person liegen kann.

Das kennen wir aus Südfrankreich und haben es auch hier schon ein paar Mal gesehen. Ich gebe mir einen Ruck, gehe einfach zu den Leuten und frage, ob wir das auch mal ausprobieren dürfen.

Und bekomme tatsächlich ein Ja!

Abwechselnd werden wir über den See gezogen und die zwei Männer im Boot haben auch großen Spaß, während einer das Boot über den See kurvt und der andere durch Ziehen an der Leine dafür sorgt, dass der Reifen von einer Seite zur anderen geschleudert wird und dabei über die Wellen springt.

Am Ende springen wir noch in den See, dann bedanken wir uns ganz herzlich und machen uns erfrischt und mit breitem Grinsen auf die Weiterfahrt.

Es geht an türkisblauen Flüssen mit Jade vorbei und durch märchenhafte Wälder. Wir fahren wie im Traum.

Am Abend sind wir allerdings noch immer ein gutes Stück vom nächsten Campground entfernt und so entscheiden wir uns für’s wild campen. An einer unmöglichen Stelle.

Direkt an einem See in einem Sumpfgebiet, gibt es eine kleine trockene Stelle. Um diese zu erreichen, müssen wir allerdings alles durch einen kleinen, knietiefen Zulauf tragen. Es ist kalt, lohnt sich aber. Wir genießen unseren hart erkämpften Panoramaplatz beim Abendessen am Lagerfeuer.

Schade, dass wir nicht öfter fernab der Zivilisation campen können. Aber die Räder binden einen nunmal an die Wege.

 

Richtung Arthur’s Pass
Tag 109 (29.01.2017)

Wir finden einen kleinen Ort, in dem wir uns für die Überquerung des Arthurs Passes mit dem Notwendigsten eindecken können und bringen sozusagen die „Zufahrt“ zum Pass hinter uns. Die Strecke geht über sehr lange Zeit sehr leicht bergauf. Am verregneten Abend mieten wir uns auf einem Campinplatz ein. Hier können wir auch Eier und Gemüse einkaufen, denn es gibt Hühner und ein Gewächshaus. Perfekt. Und morgen steht der Pass an. Das wird was.

 

Dem Himmel entgegen – der Arthur’s Pass
Tag 110 (30.01.2017)

Als wir das erste Mal aufwachen regnet es noch, also drehen wir uns um und schlafen weiter. Als uns schließlich die Sonne weckt sind wir schon ganz schön spät dran. Ich packe das Zelt zusammen, während Dario Frühstück macht.

Eine Zeit lang geht es noch recht gemächlich bergan, doch dann kommen die Berge näher. Schließlich überqueren wir den Fluss, an dem wir schon seit gestern entlangradeln und dann wird es bedeutend steiler.

Auf den ersten steilen Kilometern kommt uns ein anderer Radfahrer entgegen und wir schwätzen ein wenig. Er ist sehr nett und jongliert sogar. Nur leider fährt er eben in die andere Richtung. Verdammt.

Kurve um Kurve geht es nun bergauf. Wir merken, wie fit wir mittlerweile sind, doch schließlich bin ich es, der auf die eine oder andere Pause besteht. Vor allem an Aussichtspunkten bieten sich diese zum Glück auch an.

Bedeutend anstrengender wird die Fahrt durch die (verhältnismäßig) vielen Lastwägen, denn die Straße ist sehr eng. Trotzdem kommen wir ganz gut voran und wundern uns sehr, als die entgegenkommenden Fahrer uns zu verstehen geben, wir hätten es bald geschafft. „Jetzt schon?“, wundern wir uns und gehen davon aus, dass die motorisierten Menschen die Distanz unterschätzen.

Doch dann taucht tatsächlich der letzte Viewpoint auf. Wir radeln noch die 300m weiter bergauf, um die Aussicht zu genießen und werden von zwei Bergpapageien in Empfang genommen.

Diese wunderschönen Tiere gibt es wohl nur hier und sie sind wirklich nett. Nur muss man seine Habseligkeiten gut vor ihnen schützen. Und seine (Fahr)Räder. An einem Campingwagen sind zwei davon festgemacht und einer der Papageien macht sich munter am Gummi zu schaffen.

Wir verscheuchen ihn, holen uns eine Kleinigkeit zu Essen aus dem Gepäck und beobachten die Tiere lange Zeit vollkommen fasziniert.

Da wir den Pass tatsächlich viel früher als erwartet erreichen, machen wir kurz dahinter noch einen Stop und wandern auf einen der Berge. Allerdings nicht bis zur Spitze, sonst kämen wir in die Dunkelheit. Dabei bewundern wir uns gebührend selbst für unsere tolle Fitness.

Kurz bevor die Dunkelheit hereinbricht erreichen wir den Ort „Arthurs Pass“, der aus unserer Richtung gesehen einige Kilometer hinter dem tatsächlichen Pass liegt.

Hier gibt es einen DOC (Department of Conservation) Campround mit Hütte. Da wir das Geld zum Einwerfen nicht passend haben, wechseln wir mit einer anderen Deutschen. Dann bauen wir auf und beginnen zu kochen.

Unsere Räder parken wir wie auf einem Schild empfohlen papageiensicher in der Hütte.

Auf einem der Tische in der Hütte hat wiederum ein anderer Deutscher seine Habseligkeiten ausgebreitet. Hauptsächlich haltbare Lebensmittel.

Wir kommen mit ihm ins Gespräch und er erzählt, dass er von der Nordspitze der Nordinsel bis zur Südspitze der Südinsel wandert. Über die Berge.

In Auckland hat er groß eingekauft und Pakete mit Essen in alle möglichen Bergdörfer geschickt. So kann er recht günstig leben, ohne auch nur einmal die Berge verlassen zu müssen. Allerdings war er auf den letzten Abschnitten recht schnell, sodass er nun zu viele Lebensmittel hat.

Damit rettet er uns. Dankbar nehmen wir ihm für ein paar Dollar ein paar Fertiggerichte und jede Menge Müsliriegel ab. Unser Überleben ist hiermit gesichert!

Wir essen gemeinsam zu Abend und für micht wird immer klarer: Es wird doch ein nächstes Mal Neuseeland geben und es wird etwas mit Bergwanderungen zu tun haben.

Als wir aus der Hütte kommen ist es dunkel und wir stellen fest, dass direkt hinter unserem Zelt auf Bodenhöhe eine Lampe ist. Die leuchtet direkt von hinten auf unser Zelt. Wir versuchen sie mit einem Karton abzudecken.

Vor dem Schlafengehen prüfen wir den Wetterbericht und der sieht leider gar nicht gut aus. Von der Westküste wird am frühen morgen eine Regenfront anrücken.

In der Hoffnung ihr entgehen zu können stellen wir den Wecker auf sechs Uhr.

 

Hinter uns die Sintflut
Tag 111 (31.01.2017)

In der Nacht fällt irgendwann der Karton um und das Licht der Lampe ist unserem Schlaf nicht förderlich. Zudem liegt der DOC Campground fast direkt an der Straße und gegen vier Uhr früh beginnt der Lastverkehr.

So bin ich schon vor fünf Uhr ziemlich wach und als ich merke, dass auch Dario sich rührt, schlage ich vor einfach aufzubrechen.

Noch vor sechs Uhr sitzen wir auf den Zweirädern und geben Fersengeld um dem Regen zu entkommen. Denn der ist hinter uns her, wie dunkle Wolken nur zu deutlich verraten.

Als wir eine besonders schöne, lange Schlucht erreichen, sehen wir sogar genau wie der Regenvorhang immer näher kommt. Wenden wir ihm das Gesicht entgegen, spüren wir bereits die ersten Tropfen.

Wir strampeln was das Zeug hält und werfen immer wieder Blicke auf die nasse Front, die das Tal verschluckt. Doch irgendwie schaffen wir es, dass sie uns nicht erreicht. Möglicherweise dank der Tatsache, dass wir endlich den Wind im Rücken haben und schier dahinfliegen.

Gegen vormittag spüren wir dann sogar immer stärker die Sonne und plötzlich zeigen sich blaue Stellen am Himmel.

Wir haben es geschafft! Das schlechte Wetter der Westküste steckt hinter uns in den Bergen fest!

Als wir einen Freedomcampground erreichen, sind wir so müde, dass wir entscheiden wenigstens eine Pause zu machen. Wir legen unsere Isomatten in die Sonne und kuscheln uns aneinander.

Allerdings können wir weder richtig schlafen, noch werden wir munter. So sagen wir schließlich Liz bescheid (unserer WarmShowers Gastgeberin am Fuße der Berge), dass wir erst morgen ankommen und bleiben wo wir sind.

Bergab
Tag 112 (01.02.2017)

Wieder sieht es nach Regen aus und wir begeben uns erneut auf die Flucht. Doch schon bald wird das Wetter besser. Unterwegs entdecken wir durch Zufall die „Stream Cave“, eine lange schmale Höhle durch die ein Fluss fließt. Mit entsprechender Ausrüstung kann man in diesem wohl die Höhle durchwandern. Laut einem Schild sind Neoprenanzug, Helm, Stirnlampe und festes Schuhwerk empfohlen. Da wir unsere Wanderschuhe jedoch nicht opfern wollen, können wir lediglich mit Stirnlampen aufwarten. Und auch die sind ziemlich leer.

So beschränken wir uns auf einen Spaziergang zum Ende der Höhle, wo man zu einem kleinen Wasserfall hinabklettern kann. Hier treffen wir eine Gruppe mit Erwachsenen und Kindern, die gerade von der Höhlentour kommen. Sie sagen, dass es gar nicht so kalt ist und gute Schuhe und Licht ausreichen.

Es wäre echt schön noch mal her zu kommen.

Auf der Weiterfahrt kommen wir an „Castle Hill“ vorbei. Hier finden sich faszinierende Steinformationen, die bereits Schauplatz zahlreicher Filmszenen waren. Unter anderem für den „Herrn der Ringe“. Doch auch diese lassen wir links liegen, denn sonst kommen wir heute nicht mehr an und wir haben kein Essen mehr! Wir müssen wirklich wiederkommen!

An einem See machen wir halt und ich mache Pancakes. Aus Mehl, Wasser und zwei Eiern, die wir von anderen Touristen geschenkt bekommen.

P1020071P1020068Dann überqueren wir noch einen kleinen, sehr vernebelten Pass und dann geht es endlich nur noch bergab.

Leider ist es etwas dunstig und so können wir nicht bis ins Tal blicken. Die Abfahrt genießen wir aber trotzdem sehr.

Im ersten Ort am Fuße der Berge kaufen wir alles für Spaghetti und Tomatensoße.

Bei unserer – etwas betrunkenen – Gastgeberin angekommen, beginnen wir auch sofort mit der Zubereitung. Zu unserem Glück muss Liz für eine Bekannte babysitten und wir haben das Haus für uns alleine. Und da ihre Kinder bei ihrem Exmann sind, haben wir sogar ein richtiges Bett.

Wir essen und kippen dann erschöpft in eben dieses.

Die letzten Tage waren nicht ganz ohne.

Christchurch, Zuhause auf Zeit
Tag 113 – 120 (02. – 09.02.2017)

Da Liz total begeistert drei Bälle jongliert, zeigen wir ihr nach dem Frühstück noch etwas von unseren Künsten und machen uns dann auf den Weg nach Christchurch, wo der nächste WarmShowerer auf uns wartet.

Es geht weiterhin, wenn auch kaum merklich, bergab. Auf ewig langen, geraden Straßen. Häufig gesäumt von den üblichen riesigen Hecken und Feldern.

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Am Nachmittag kommen wir an und merken, dass wir gar keine Straße und Hausnummer haben. Auf WarmShowers kann man nur grob erkennen, wo wir hinmüssen. Also schreiben wir unseren Host an und bekommen auch recht schnell eine Antwort. Wir finden die Straße und dann ihn. Er erwartet uns in der Einfahrt.

Allerdings stellt sich heraus, dass er unsere Anfrage nicht richtig gelesen hat und dachte wir kommen erst in einigen Wochen.

David arbeitet mit Fahrrädern. Im Prinzip macht er das Gleiche wie der Laden, von dem wir unsere Drahtesel erstanden haben. Gerade hat er aber seinen Shop in Christchurch City aufgelöst und nun stapelt sich alles in Haus und Hof.

Wir bieten ihm an auf einen Campingplatz zu gehen, doch er wehrt ab. Das würde schon klappen. Also stellen wir unser Zelt im Garten auf.

Dann zeigt David uns wo alles ist. Es gibt eine kleine Toilette mit Waschbecken, die von draußen zugänglich ist. Zumindest nachdem David etliche Utensilien wie etwa Fahradständer von dort nach draußen geräumt hat. Einziges Manko: Die Spülung ist kaputt und wir müssen mit einem Wassereimer arbeiten.

Ein Bad mit Dusche gibt es im Haupthaus. Allerdings begreifen wir schnell, dass es nicht zugänglich ist und versichern unserem netten Gastgeber, dass wir heute noch keine Dusche brauchen, da wir ja den ganzen Tag nur bergab gefahren sind.

Er scheint darüber sehr erleichtert und verspricht bis morgen die Dusche erreichbar zu machen.

Wir quatschen noch eine Weile, dann gehen wir zu Bett.

Am nächsten Tag ist die Dusche zugänglich und in der Küche kann sich immerhin eine Person bewegen.

Eigentlich wollen wir nur zwei oder drei Tage bleiben, doch wir schließen David schnell ins Herz und er uns. Obwohl die Unterkunft nun wirklich nicht die komfortabelste ist.

Wir verbringen viel Zeit in der Bibliothek, planen unsere Reise weiter und buchen Flüge. Es wird entgültig klar, dass drei Monate selbst für Dario zu wenig sind um zu arbeiten. Mehr hatten wir bisher nicht dafür eingeplant und sein Traum war, auf einem Kreuzfahrtschiff zu arbeiten. Aber das ist nicht so einfach wie gedacht und vor allem lohnt es sich erst ab fünf oder sechs Monaten.

Und so lange möchte er sich nicht unter Deck versklaven und ich kann mir erst recht nicht vorstellen, für einen so langen Zeitraum Arbeit auf einem Schiff zu finden. Wenn schon möchte ich etwas machen, das mir liegt. Und an verschiedenen Orten arbeiten wollen wir auch nicht.

Also beschließen wir, die Zeit des Arbeitens auf fünf Monate zu verlängern und uns Arbeit in Sydney zu suchen. Warum Sydney? Ganz einfach: Viele gute Restaurants, viele Architekturbüros und eine Stadt, deren Name weltweit bekannt ist.

Zudem werden wir in zwei Wochen ohnehin dort landen und können dann zu Vorstellungsgesprächen gehen. Arbeiten wollen wir aber erst ab Juni.

Abends kommen wir meist vollkommen erschöpft zu Hause an, aber nach ein paar Worten mit David ist die Stimmung wieder gut. Dario kocht, wir essen gemeinsam vor der Haustür in Campingstühlen sitzend oder auf dem Küchenfußboden, als dieser endlich frei ist.

Landyacht!!!

Einmal sind wir aber wirklich genervt, weil wir das Gefühl haben, den ganzen Tag nicht voran gekommen zu sein. Als wir die Räder frustiert abstellen, kommt David uns schon entgegen.

„Heute ist perfekter Winde um Landyacht zu fahren!“

Und schon haben wir alle ein freudiges Lächeln auf den Lippen. Landyacht nennt sich ein kleines Gefährt mit einem Segel, welches man bei Ebbe auf dem kilometerlangen Strand Christchurchs fahren kann. Und das Meer ist nur hundert Meter entfernt.

In Christchurch ist es nämlich umgekehrt, als man erwarten würde: Die Innenstadt liegt weit entfernt vom Meer und ist ziemlich teuer, während die Wohngegend an der Küste sehr günstig ist.

So müssen wir zwar jeden Tag einige Kilometer in die Stadt radeln, haben aber das Meer vor der Haustür. Und heute gehen wir zu dritt Landyacht fahren. Allerdings immer abwechselnd, da nur eine Person auf das Vehikel passt.

Wir haben riesen Spaß. Vor allem Dario hat den Dreh sofort raus, weil das Prinzip recht ähnlich wie beim Windsurfen ist. Doch auch ich stelle mich nicht allzu schlecht an. Es wird immer schön reihum abgewechselt und wenn der Wind mal nachlässt, wird der Fahrende angeschoben bis er wieder Fahrt aufnimmt.

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Wenn große Kinder Sandburg bauen

An einem anderen Tag sagt Dario morgens: „Heute gehen wir nicht in Bibliothek, heute will ich eine Sandburg bauen!“

Also gehen wir an den Strand. Ich stelle mir vor, dass er eine recht große Sandburg bauen wird, mindestens einen Quadratmeter groß.

Während ich am Handy zu recherchieren beginne, schleppt Dario ein Baumskelett an. Mit Hilfe zweier Spaziergänger, die schneller bei ihm sind als ich, stellt er den Baum auf. Nun ragt eine gute drei Meter hohe Skulptur voller Algen am Strand auf.

Um damit ist klar: Mit einem Quadratmeter habe ich Dario vollkommen unterschätzt.

Stunden später sieht das Gebilde aus, wie ein großes Schiff. Da ich ohnehin ständig abgelenkt werde, beende ich meine Recherche-Versuche und mache mich daran, das Heck (hinterer Teil des Schiffes) zu bauen. Allerdings als Sitzbank.

Als wir fast fertig sind, baue ich weiter während Dario kochen geht. Er bringt das Essen und David mit an den Strand und wir genießen gemeinsam Essen und „Sandburg“.

Auch lernen wir Caro kennen, eine gute Freundin von David und eine Seele von einem Menschen, die wir ebenfalls ins Herz schließen. Sie verkauft unter der Woche Bücher und Samstags Brot auf dem Markt. So treffen wir sie immer wieder im Ort und auch bei David zu Hause.

Dann wird der Garten plötzlich voll, denn vier weitere WarmShowerer treffen ein. Aber da wir uns alle gut verstehen, wird es selbst in der Küche nur physisch eng. Zudem bleiben drei davon nur eine Nacht.

Unsere Tage füllen sich stets schnell. Abgesehen von den regelmäßigen Besuchen in der Bibliothek mit Strandspaziergängen, ein wenig Stadterkundung, gemeinsamen Abendessen und einmal treffen wir uns auch mit den Feuerspielern in Christchurch.

Doch schließlich entscheiden wir, noch drei Tage lang ein Auto zu mieten und zum Mount Cook zu fahren, denn dass wir den nicht gesehen haben, wurmt uns doch.

Außerdem können wir dann auch gleich noch zur Stream Cave fahren.

Auto und ab die Post
Tag 121 (10.02.2017)

Gesagt, getan. Wir mieten einen kleinen roten Wagen und düsen los. Probleme mit dem Linskverkehr? Nicht die Spur! Dafür sind wir schon zu lange auf der anderen Seite der Welt. Unterwegs gabeln wir noch einen Hitch Hiker auf – seit wir selber öfter welche waren, haben wir da wesentlich weniger Hemmungen.

Allerdings ist er kein Backpacker, wie wir eigentlich erwartet hatten, sondern Kiwi. Er kommt aus einem Ort in der Nähe von Mount Cook und war in Christchurch, als sein Wagen den Geist aufgegeben hat. Nun ist er auf dem Weg zurück zu seiner Familie. Der Wagen bleibt in Christchurch in der Werkstatt.

Wir nehmen ihn fast die ganze Strecke mit und setzen ihn dann an einer guten Stelle ab.

Unser heutiges Zielt ist ein kostenloser Campground, von dem aus wir morgen in kuzer Zeit am Mount Cook sind. Allerdings sind wir recht spät dran und bei weitem nicht die einzigen mit dieser Idee. Der Campingplatz liegt an einem See und ist sehr beliebt. Die guten Plätze sind alle schon belegt und wir brauchen eine Weile, bis wir überhaupt eine Stelle finden, die flach genug ist.

Mit Blick auf Mount Cook
Tag 122 (11.02.2017)

Am nächsten Morgen brechen wir tatsächlich Recht früh auf. Wir frühstücken an einem wunderschönen See mit Blick auf die Berge.

In den Bergen angekommen fahren wir erst zu einem Gletschersee und kraxeln dort auf den Felsen herum. Dann fahren wir zum Hauptparkplatz und entscheiden uns für den Aufstieg zur Muller Hut. Die Hütte liegt auf einem etwas niedrigeren Berg und der Aufstieg bietet wundervolle Ausblicke auf Mount Cook.

An diesem würden uns zwar die Gletscherwanderungen durch Eiskanäle interessieren, doch dazu ist eine sehr teure Tour mit dem Hubschrauber notwendig. Das muss nicht sein.

Tatsächlich verdient der Aufstieg zur Muller Hut das Sprichwort: „Der Weg ist das Ziel“, denn er ist abwechslungsreich und traumhaft schön. Oben angekommen wünschen wir uns, wir hätten zwei Tage Zeit und unsere Ausrüstung dabei, um in der Hütte zu übernachten und am nächsten Tag noch weiter hinauf zu steigen. Allerdings brauchen wir uns nicht zu ärgern, dass wir nicht anders geplant haben, denn für morgen ist ohnehin richtig schlechtes Wetter in den Bergen angesagt. An der Hütte hängt sogar ein Zettel, dass heute keine Übernachtung empfohlen wird. Ein bisschen Höher klettern wir noch, aber dann kehren wir um.

Wir haben knapp, aber realistisch kalkuliert und sind unter den letzten, die den Berg verlassen. Ohne in die Dunkelheit zu kommen.

Hinter uns sehen wir tatsächlich dunkle Wolken über die Berge wallen und statt auf dem DOC Campground am Fuße des Berges unser Zelt zu errichten, fahren wir wieder zurück auf den Platz am See.

 

Stream Cave und Castle Hill
Tag 123 (12.02.2017)

Wieder kommen wir zeitig los. Unterwegs Richtung Arthurs Pass halten wir an einem glitzernden Fluss und stellen fest, wie abgehärtet wir mittlerweile sind. Wir steigen echt ins kalte Wasser.

Die perfekte Abkühlung vor der Weiterfahrt. Nachmittags erreichen wir die Stream Cave. Weiter in die Berge wollen wir gar nicht, da hängt ohnehin nur das schlechte Wetter!

Diesmal sind wir gut ausgerüstet: Wir haben für zehn Dollar pro Paar Wasserschuhe im Warehouse gekauft. Ausgestattet mir diesen, unseren Schwimmsachen plus T-Shirt, Stirnlampen und Kamera laufen wir los. Ein gut angelegter Weg führt zum Eingang der Höhle.

Schon nach wenigen Metern lässt es sich nicht mehr vermeiden bis zur Hüfte ins Wasser zu steigen. Erst erscheint es uns ganz schön kalt, doch dank der vielen Bewegung fühlen wir uns ganz wohl. Wir trödeln ganz schön, bewundern die Formen des Steins und klettern ab und zu auch etwas in die Höhe.

Es ist wie ein Traum: Das Rauschen des Wassers, die Dunkelheit und wir ganz alleine.

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Wir wissen nicht, wie lange wir gebraucht haben.

Jedenfalls schaffen wir es noch kurz vor der Dämmerung zurück zu den Felsformationen des „Castle Hill“ zu fahren und dort spazieren zu gehen.

Hier wird sehr gerne gebouldert und Dario kann es sich nicht verkneifen ein wenig zu klettern. Ich merke, wie viel Angst ich davor habe ohne Absicherung auch nur kleine Höhen zu meistern. Zumindest so lange ich nichts habe, um das ich meine Hände ganz schließen und worauf ich meine Füße sicher aufsetzen kann.

Doch mein Unmut darüber wird von den unglaublichen Formen schnell wieder besänftigt.

 

Letzte Tage in Neuseeland
Tag 124 – 125 (13. – 14.02.2017)

Heute geht es leider schon wieder zurück nach Christchurch. Andererseits freuen wir uns auch schon wieder auf David. Als wir ankommen, treffen wir Caro, die uns verrät, dass es David nicht anders geht. Er nennt uns ihr gegenüber „die Kinder“, weil wir im Alter seiner Söhne sind, die er leider fast nie sieht.

Wir den Tag vor dem Abflug ruft Mami an.

„In Australien ist es über 40°C heiß und brennt überall. Wollt ihr den Flug nicht absagen?“

Nein, wollen wir eigentlich nicht. Außerdem sind wir schon mit Freunden von befreundeten Jongleuren aus Deutschland verabredet. Sonja hat uns angeboten bei ihr und ihrer Familie zu wohnen. Sie ist in Deutschland aufgewachsen und hat einen Australier geheiratet.

So verabschieden wir uns schließlich von David.

Wir gehen nochmal in ein Internetcafé und ich schreibe meine vorläufig letzte Bewerbung und wir übertragen ein paar Fotos auf meine Festplatte.

Dann nehmen wir den Bus zum Flughafen. Zum Glück ist die Fahrerin so nett, uns zu verraten, dass es doppelt so viel kostet bis zum Flughafen zu fahren, als hundert Meter vorher auszusteigen.

Da unser Flug morgends um sechs geht, müssen wir die Nacht am Flughafen verbringen.

Australien wartet
Tag 126 (15.02.2017)

Als wir starten ist es ganz schön rot über Christchurch – der Sonnenaufgang?